Jägermond Bd. 2 - Im Auftrag der Katzenkönigin
»Das gehört sich hier nicht.«
»Och, schade.«
»Kannst du ja mal bei Finn versuchen.«
Sem lachte und ließ sie los. Finn hatte ebenfalls den Helm abgenommen und musterte die überschwängliche Begrüßung mit säuerlicher Miene. Die änderte sich in dem Augenblick, als einer der schwarzen Kater auf das Motorrad sprang und leise sagte: »Cool!«
Fassungslos berührte Finn den Ring in seinem Ohr.
»Ihr?«
»Wir!«
Sem grinste breit und schlug ihm kräftig auf den Rücken.
Während die Begrüßung lautstark und herzlich ausfiel, bemerkte Feli den geflochtenen Weidenkorb, der ebenfalls auf der Treppe stand, und näherte sich ihm.
»Und wer verbirgt sich hier drin?«, fragte sie leise.
»Bin ich, ne.«
Eine Welle von Glück überschwemmte Feli. Sie öffnete den Deckel, aber die rotbraune Katze versteckte ihren Kopf unter dem Handtuch darin.
»Che-Nupet, du?«
»Musste ich.«
Da stimmte etwas nicht. Feli sah zu den beiden Männern und den beiden schwarzen Katern hin, die in Wiedersehensfreuden schwelgten – in der Form, dass sie sich auf der Wiese balgten. Chipolata saß auf ihrem Zaunpfahl und machte den Eindruck, als ob sie sich jeden Moment ins Getümmel werfen wollte.
Feli schnappte sich den Katzenkorb und ging zum Haus. Pu-Shen und ihre Tante würden sich mit ihrem Gast abfinden müssen. Als sie in den Flur trat, rief sie: »Iris?«
Aber sie bekam keine Antwort. Ein Zettel am Korkbrett an der Garderobe informierte sie jedoch darüber, dass Iris eine Bekannte besuchen wollte. »Auflauf steht im Ofen!«
Pu-Shen hingegen lag auf ihrem Schreibtischstuhl und döste.
Feli setzte den Korb auf den Boden und fragte noch mal: »Che-Nupet, wir sind in meinem Zimmer. Willst du jetzt rauskommen?«
»Komm ich.«
Die Katzennase erschien über dem Rand, und Che-Nupet schnüffelte. Dann verschwand sie wieder. Pu-Shen war aufgewacht und vom Stuhl gehüpft. Neugierig näherte er sich dem Korb. Auch er schnüffelte.
»Schnuppel, das ist mein Kater. Er ist sehr höflich.«
Es kruschelte im Korb, und Feli beobachtete, wie die Katze ihren Kopf wieder unter dem Handtuch darin versteckte. Unter dem Fell ihrer Kehrseite zuckte es, und der Schwanz peitschte in höchster Nervosität.
Hier stimmte aber wirklich etwas nicht.
»Pu-Shen, ich glaube, ich bringe dich in die Küche. Was hältst du von einem Leckerchen?«
Leckerchen verstand der kleine Kater blendend. Er folgte ihr, sie gab ein paar seiner Lieblingsknusperflocken in eine Schale und schloss die Tür hinter ihm.
Dann kehrte sie zu Che-Nupet zurück.
»Was ist passiert, Che-Nupet?«
»Nichts«, nuschelte es.
Es musste aber etwas geschehen sein. Feli nahm die kleine Katzenstatue in die Hand und setzte sich mit untergeschlagenen Beinen auf ihr Bett. Wie so oft, wenn sie nachdachte, streichelte sie die Marmorfigur.
Ihre Großmutter hatte ihr einst, als sie noch ein Kind war, viele zauberhafte Geschichten von dem Land Trefélin erzählt, das von einer Königin und einem Weisen regiert wurde. Sie hatte es immer für ein Märchenland gehalten, bis sie den Ohrring geerbt und Nefer, den schwarzen Kater, getroffen hatte. Dass sie ihn plötzlich verstehen konnte, hatte sie zunächst schockiert, doch so allmählich war ihr aufgegangen, dass Gesas Märchen wohl einen realen Hintergrund gehabt hatten. Mit wachsendem Staunen und immer größerer Neugier hatte sie erfahren, dass Katzen und Menschen mit der Macht dieser Ringe die Welten wechseln konnten. Und nachdem Finn verschwunden war, war sie Nefer bereitwillig durch die Grauen Wälder in das Reich der großen Katzen gefolgt. Hier hatte sich, als sie alleine und in Gefahr gewesen war, eine rundliche, höchst gemütliche Katze um sie gekümmert. Che-Nupet, die so seltsam sprach und so komische Angewohnheiten hatte, dass alle anderen sie leicht verächtlich als dickes Dummerchen ansahen. Aber Feli hatte bald geahnt, dass sich hinter diesem Gebaren etwas verbarg. Was es war, das hatte sie die Kätzin nicht gefragt, weil sie gespürt hatte, dass es etwas sein musste, das mit einem tiefen Leid verbunden war. »Ich bin so komisch, ne?«, hatte Che-Nupet einmal traurig gesagt.
Ja, sie war anders als die selbstbewussten, oftmals sogar recht arroganten Katzen in Trefélin.
Feli berührte das Ankh an ihrem Hals und dann das, was die Katzenstatue trug. Die Königin Bastet Merit war die Einzige, die dieses Abzeichen trug – das Insignium ihrer Macht. Weitere Insignien waren die Ohrringe, die nur einigen wenigen
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