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Jagablut

Jagablut

Titel: Jagablut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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Taschentuch. Nach jedem
Anfall rang er pfeifend nach Luft. Ich horchte seine Lunge ab und versuchte
durch Abklopfen die Ausbreitung der Entzündung zu lokalisieren, aber die Lunge
war frei. Eine Blutuntersuchung oder ein Röntgen waren nicht nötig.
    »Ihr Mann hat eine schwere Bronchitis«, sagte ich zu der Frau, die
breitbeinig am Kachelofen lehnte. »Anzeichen von Lungenentzündung kann ich
keine erkennen, aber der gelbe Auswurf macht mir Sorgen.« Ich griff in meine
Arzttasche und suchte den Rezeptblock und eine Packung Tabletten heraus. Dann
wandte ich mich an den Patienten. »Ich verschreibe Ihnen jetzt ein
Antibiotikum, Herr Rotter, und lasse Ihnen für heute ein Arztmuster da.«
    Der Alte drehte den Kopf auf dem schmierigen Kissen zu seiner Frau.
Anscheinend war sie in diesem Haus die Entscheidungsinstanz.
    »Das braucht’s nicht«, sagte Frau Rotter. »Geben S’ ihm einfach was
Hömöpatisches. Das hat der Mooslechner Adi auch immer gemacht.«
    »Etwas Homöopathisches?« Ich hatte mich wohl verhört. »Frau Rotter, Ihr
Mann ist nicht mehr der Jüngste und hat eine bakterielle Infektion. Da sind ein
paar Zuckerkügelchen zu wenig.«
    Sie verlagerte ihr Gewicht von einem Bein aufs andere. »Er kriegt eh auch
noch Hausmittel.« Sie deutete mit dem Kinn in Richtung der schwach kochenden
Suppe. »Des hilft immer. Und was Hömöpatisches.«
    »Meinen Sie einen Auszug aus Kapland-Pelargonie?« Ein derartiger Extrakt
konnte die Symptome akuter Bronchitis lindern. Manche Kollegen setzten ihn auch
anstelle einer Antibiotikatherapie ein, aber bei dem Alter und Zustand meines
Patienten wollte ich eigentlich kein Risiko eingehen.
    Frau Rotter zuckte die Schultern. »Hat der Adi nicht gesagt.«
    Ich wickelte langsam das Stethoskop auf. Hier war mein erster Patient,
und meine ärztliche Kunst stand schon auf dem Prüfstand. Wie immer ich mich
jetzt verhielt, es würde im Dorf die Runde machen und über meinen Start als
neue Ärztin von Alpbach entscheiden. Ich schaute in die fiebrigen Augen des
alten Mannes und auf die Hand mit den zu langen Fingernägeln. Im Grunde gehörte
er in ein Krankenhaus. Und zwar weniger wegen der Bronchitis, sondern wegen der
nötigen Pflege. Allerdings hatte Miranda gesagt, er hätte jeden Herbst
Bronchitis. Wenn ich jetzt auf einem Antibiotikum bestand, würde er es nicht
bekommen und ich würde auch nicht mehr gerufen werden. Vielleicht hatte
Mooslechner die homöopathischen Globuli nur gegeben, um wenigstens Zugang zu seinem
Patienten zu haben.
    »Also gut«, sagte ich zu Frau Rotter. »Dann gebe ich Ihnen heute nur
etwas, um die Entzündung zu hemmen und das Fieber zu senken.« Das würde den
Kreislauf des alten Mannes wenigstens entlasten. »Zusätzlich können Sie ihm
Brustumschläge mit Eukalyptussalbe machen. Und Thymiantee geben. Der wirkt
krampflösend und fördert den Auswurf.« Feuchte Tücher auf der Heizung schienen
mir in dieser dampfgefüllten Küche überflüssig. »Und Hühnersuppe ist natürlich
auch gut.«
    Mein Patient krümmte sich in einem plötzlichen Hustenanfall. Seine Frau
schaute ihm wortlos zu. In ihren Kieselsteinaugen konnte ich keine
Gefühlsregung erkennen. Er keuchte, dann sagte er: »Das is’ Hundssuppe.«
    »Ach, ja.« Ich wusste nicht, welche Suppe man in Alpbach als Hundssuppe
bezeichnete, wollte aber zum Abschluss etwas Verbindliches sagen und wandte
mich daher an Frau Rotter. »Woraus macht man denn Hundssuppe?«
    Sie schürzte nur die Lippen und verschränkte ihre dicken Arme vor dem
ausladenden Busen.
    »Schäfer«, krächzte mein Patient.
    Ich war sicher, dass er die junge Frau Doktor auf den Arm nehmen wollte,
und freute mich, dass seine Lebensgeister zurückkehrten. »Ach ja?« Ich lachte
höflich über seinen Scherz. »Schäferhund? Geht Dackel auch?«
    »Geht auch«, meinte er. »Aber das da is’ Schäfer.«
    Sein Ton war so sachlich, dass er offenbar die Wahrheit sagte. Ich drehte
mich zu seiner Frau um. Vielleicht hatte ich mich ja doch verhört. Aber sie
stieß sich nur vom Kachelofen ab und schob die Hände wieder in die
Jackentaschen.
    »Is’ ein altes Hausmittel«, meinte sie. »Hundefleisch hilft gegen viele
Krankheiten. Aber lassen S’ die Tabletten ruhig da.« Sie deutete mit dem
Kinn auf das Antibiotikum. Ich hatte die Prüfung offenbar bestanden. »Wie oft
soll er sie einnehmen?«
    »Zweimal täglich eine.« Ich hoffte, sie hörte nicht, wie schockiert ich
war. Aber ihre Steinaugen blieben ausdruckslos. »Morgens und abends. Und

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