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Jagablut

Jagablut

Titel: Jagablut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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waren die anderen?«
    Viktor zögerte. »Welche anderen?«, fragte er, ohne sich zu mir
umzudrehen.
    »Der Simon Munz und seine Kumpane, hast du gesagt.«
    »Ach das …« Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
Offensichtlich hatte er genug von unserem Ausflug in Alpbachs düstere
Vergangenheit. Vielleicht war er in Gedanken schon bei seinen vierbeinigen
Patienten. »Das ist alles schon viel zu lange her.« Er musterte mich kurz über
seine Schulter hinweg, dann setzte er etwas freundlicher hinzu: »Wenn du dich
für Alpbacher Geschichte interessierst, dann geh doch mal ins Heimatmuseum. Die
haben jede Menge alte Fotos und Schautafeln.« Er winkte mir noch flüchtig zu,
dann schloss sich die Tür hinter ihm.
     
    Die Liste mit den Hausbesuchen war an diesem Tag besonders
lang, sodass ich erst gegen neun Uhr am Abend in den Jagawirt zurückkehrte. In
der Gaststube schien es hoch herzugehen. Der Stimmenlärm war bis in die Halle
zu hören. Ich beschloss, auf das Abendessen zu verzichten. Für Gesellschaft war
ich einfach zu müde. Also schleppte ich meine Tasche in den ersten Stock hinauf
und war froh, dass ich niemandem begegnete.
    Als ich mein Zimmer betrat, hing Schweißgeruch in der Luft, und es roch
nach Reinigungsmittel. Die Badezimmertür war nur angelehnt. Anscheinend hatte
die Putzfrau vergessen zu lüften, ehe sie mein Zimmer verlassen hatte. Ich zog
die Badezimmertür zu, riss ein Fenster auf und lehnte mich in die frische Luft
hinaus. Das Wasser des Flusses brauste über die Felsen, und aus dem Bergwald hörte
ich abgehacktes Gelächter. Die verschiedenen Hirschlaute waren mir inzwischen
vertraut. Ich musste über das männliche Imponiergehabe lächeln.
    Schräg unter mir lag die Holztür, durch die man ungesehen in Steiners
Wohnung gelangte. Ob der Wirt sie wohl des Öfteren selbst benutzt hatte? Jetzt
fiel mir auch auf, wie geschickt der Bauplatz des Jagawirt im Hinblick auf
unsichere Zeiten gewählt war. Vordergründig abgeschieden gelegen, befand sich
der alte Gasthof doch in einer nahezu beherrschenden Lage, denn von seiner
Vorderseite hatte man einen ungehinderten Blick über das gesamte Tal, während
der Bergwald auf der Rückseite jederzeit die Möglichkeit zu rascher Flucht bot.
    Ich ging in den Vorraum, um meine Jacke aufzuhängen. Breit und dunkel
stand der Bauernschrank neben der Garderobe. Über den Türen konnte ich die
Jahreszahl 1647 erkennen. Das eiserne Schloss schimmerte. Ich hatte schon
wieder vergessen, Hansi den Schlüssel zu geben. Langsam zog ich ihn aus der
Tasche, steckte ihn ins Schloss und drehte ihn herum.
    Das vertraute Knarren der Schranktüren erklang und direkt darauf das
ebenso vertraute Quietschen der Badezimmertür. Für einen kurzen ungläubigen
Moment erstarrte ich. Zu lange, um mich gegen das Tuch zu wehren, das von
hinten über mein Gesicht geworfen wurde. Und gegen die Hände, die sich um
meinen Hals legten und kraftvoll und stetig zudrückten.

ZWÖLF
    Langsam kämpfte ich mich ins Bewusstsein zurück. Hinter
meinen Augenlidern brannte ein blutrotes Feuer, und meine Glieder waren schwer
wie Blei. Mir war heiß, und mein Hals schmerzte. Als ich das dringende
Bedürfnis verspürte, mich zu übergeben, schlug ich die Augen auf. Ich lag quer
auf meinem Bett, und die Sonne schien auf meinen Körper.
    Irgendwo wurde eine Tür geschlossen, Stimmen erklangen und entfernten
sich. Mir war schlecht. Ich drehte mich zur Seite und schob meine Beine über
die Bettkante. An meinen Beinen klebten die Jeans vom Vortag, und meine Füße
steckten noch in den festen Schuhen. Mühsam richtete ich mich auf. Schwindel
erfasste mich. Alles um mich herum drehte sich. Ich klammerte mich an den Rand
der Matratze, um nicht von dem Strudel mitgerissen zu werden und darin
unterzugehen. Langsam, ganz langsam ließ der Wirbel nach.
    In meinem Zimmer herrschte ein unglaubliches Chaos. Es sah aus, als hätte
der Föhnsturm auch hier getobt. Der Boden war übersät mit meinen
Kleidungsstücken. Hosen, Pullover, Blusen und Seidentücher, Sportsachen und
Schuhe türmten sich auf mehreren Haufen. Schranktüren standen offen und
Schubladen waren herausgezogen. Meine Handtasche lag ausgekippt auf dem
Schreibtisch, der Inhalt der Arzttasche sprenkelte einen Berg Unterwäsche. Mein
Koffer war achtlos auf den Teppich vor den Ohrensessel geworfen worden. Hier
hatte jemand ganze Arbeit geleistet. Ich stützte die Hände auf die Matratze und
stand auf.
    Es dauerte eine Weile, bis sich mein

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