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Jagablut

Jagablut

Titel: Jagablut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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meinen Tisch. Er trug eine rote Outdoorjacke,
Jeans und Trekkingschuhe aus hellem Wildleder, auf denen kein Fleck zu sehen
war. Offenbar hatte er sich fürs Gebirge schick gemacht.
    Der Mann reichte mir die Hand. »Pohl. Chefinspektor bei der Sicherheits-
und Kriminalpolizeilichen Abteilung Salzburg.« Er war schmal, und seine
schwarzen Haare fielen ihm in die Stirn. Ich schätzte ihn auf Ende dreißig.
    Chefinspektor Pohl nahm mir gegenüber Platz, während sich seine Alpbacher
Kollegen an einen Tisch am Fenster setzten.
    »Tja, Frau Canisius …« Er musterte mich ohne erkennbare Emotion.
»Jetzt erzählen Sie mal. Die Kollegen berichten, Sie wären gestern Abend zum
zweiten Mal überfallen worden.« Er deutete auf meinen Hals. »Und diesmal hat
der Täter Sie gewürgt?«
    »Allerdings.« Ich löste das Seidentuch und zeigte ihm die Male auf meiner
Haut, die sich bereits verfärbten. Bald würde mein Hals in allen Farben des
Regenbogens schillern.
    Pohl betrachtete meine Blessuren. »Verstehe«, sagte er. »Da können Sie ja
von Glück sagen. Das hätte auch bös ausgehen können.« Er schüttelte den Kopf.
    »Mein Zimmer ist auch durchwühlt worden.« Ich band mir das Tuch wieder
um. »Der Täter hat irgendwas gesucht.«
    »Hm.« Pohl lehnte sich zurück. »Haben Sie eine Vermutung, was der
Angreifer in Ihrem Zimmer gesucht haben könnte?«
    »Wenn ich das wüsste, würde ich’s dem Kerl mit der Post schicken«, sagte
ich. »Egal, was es ist.«
    Seine Mundwinkel zuckten. »Wissen Sie denn schon, ob Ihnen etwas fehlt?
Geld, Schmuck, Kreditkarten?«
    »Ich bin nicht ausgeraubt worden, wenn Sie das meinen.« Zum Beweis hob
ich den Arm mit meiner wasserdichten Hublot. Es war eine teure Uhr, aber
unverwüstlich im täglichen Einsatz in der Praxis und mein einziger Schmuck. Sie
glänzte an meinem Handgelenk – ein Zeichen, dass es sich bei meinem
Angreifer nicht um einen einfachen Dieb handelte. »Meine Handtasche war
ausgeleert, aber das Bargeld und alle Kreditkarten sind da.«
    Pohl kratzte sich an der Nase. Seine Hände waren schmal und auffallend
muskulös. Vielleicht war er doch ein Bergsportler. »Die Klärung Ihres Überfalls
würde uns halt auch in der Mordsache Steiner weiterbringen.«
    »Ach … ist Steiners Wohnung denn auch durchsucht worden?«, fragte
ich. Dann konnten der Mörder und mein Angreifer ein und dieselbe Person sein.
In meinem Magen kribbelte es. »Glaubt die Polizei, dass Steiners Mörder mich
überfallen hat?«
    Pohl musterte mich. »Wir gehen davon aus, ja. Immerhin ist das jetzt der
dritte tätliche Angriff in diesem Haus, nicht? Unwahrscheinlich, dass es sich
dabei um drei verschiedene Täter handelt.«
    Ich nickte. Natürlich hatte er recht.
    »Na, sehen Sie.« Er hüstelte. »Laut Obduktionsbefund ist Herr Steiner
zuerst niedergestochen und dann erschlagen worden.«
    »Weiß ich.«
    »Die Todesursache ist somit klar. Nur was weit und breit nicht zu finden
ist, ist ein Motiv für diesen … ziemlich skurrilen Mord.«
    Unwillkürlich tauchte der Anblick des Toten vor mir auf, sein Gesicht
verborgen unter dem schweren Holzbrett mit dem Gamskopf darauf. Georg Kamls
Worte tönten in meinen Ohren. Er ist zurück, er ist
zurück , hatte er angesichts der Leiche des Wirtes geschrien. Wer
war zurück?
    »Alles in Ordnung, Frau Canisius?«
    »Nein, eher nicht.« Es klang barscher als beabsichtigt. »Ein Fremder
lauert in meinem Zimmer auf mich, und ich bin gerade fast erwürgt worden. Aber
sonst …«
    »Moment – der Täter war schon im Zimmer, als Sie gekommen sind?«
    Ich nickte. »Hat sich im Badezimmer versteckt.« Mit Schaudern erinnerte
ich mich an das Quietschen der Tür.
    Pohl runzelte die Stirn. »Und Ihnen ist gestern Abend nichts aufgefallen,
was Sie hätte warnen müssen? Die unverschlossene Tür, irgendwelche Veränderungen
im Zimmer?«
    »Nein … ich bin gegen neun Uhr nach Hause gekommen und … also,
die Zimmertür war verschlossen.«
    »Verschlossen?« Pohl verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich
zurück. »Der Täter hatte einen Schlüssel? Woher denn?«
    »Wahrscheinlich vom Schlüsselbrett in der Halle. Dort hängt immer ein
Zweitschlüssel.«
    » Was ? Soll das heißen, ihr habt die
Schlüssel noch immer in der Halle hängen?« Pohl drehte sich zu Hansi um.
»Fräulein Steiner, wie ist denn das möglich? Frei zugänglich für jedermann?
Nachdem S’ euch gerade den Wirt abgestochen haben?« Seine Stimme war
lauter geworden.
    Hansi stand auf und kam an

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