Jagd auf eine Bestie 2. Teil: Thriller (German Edition)
offiziell nichts tun. Allerdings waren Dr. Kurz und Kriminalrat Herzog jederzeit privat für ihn zu erreichen. Auch diesen beiden Männern lag viel daran, dass Marquart nicht ungeschoren davon kam. Was sie für Kerner tun konnten, das würden sie tun. Als Letztes innerhalb der wenigen Zeit vor ihrem Abflug führte ihn sein Weg zum Comer See. Überall hatte er sich nach Bice de Vigiani erkundigt. Niemand konnte ihm eine Auskunft darüber geben, wo sie war. Das Anwesen der Vigianis war verwaist und abgesperrt. Auch die Hunde waren verschwunden. Kerner dachte an die kurze Zeit, die sie zusammen hatten, und an all das Schreckliche, was passiert war. Hatte er sie für immer verloren? Er musste die Suche aufschieben. Am Morgen des nächsten Tages würde ihr Flug gehen.
Zusammen mit Graf Siegfried von Löwenberg und Lord Griffin saß Kerner in der kleinen Sportmaschine, die sich im Landeanflug auf Goma, einem Flughafen im Osten des Kongo, befand. Als sie aus der Maschine kletterten, stand auf dem Rollfeld schon ein großer Armeejeep, an dem ein Offizier der Blauhelme lehnte und eine Zigarette rauchte. Als er die drei sah, wusste er sofort, dass es die Männer waren, auf die er wartete.
Offensichtlich war er alleine schon von ihren körperlichen Maßen beeindruckt. Siegfried von Löwenberg war fast zwei Köpfe größer als der Offizier, und auch Lord Griffin und Kerner überragten den Mann um fast einen ganzen Kopf. Der südafrikanische Blauhelmsoldat stellte sich vor den Jeep. »Guten Tag meine Herrn. Ich bin Ihr Verbindungsmann. Bitte verzeihen Sie, dass ich mein Namensabzeichen nicht trage, und fragen Sie mich bitte auch nicht danach. Ich werde Sie an Ihr Ziel bringen und zu einer vorher festgelegten Zeit an einem Treffpunkt auf Sie warten. Von dort aus bringe ich Sie hierher zurück. Halten Sie dieses Treffen nicht ein, müssen Sie sich alleine durchschlagen. Haben Sie das verstanden?« Kerner ging einen Schritt auf den Leutnant zu. »Wir wissen, dass Sie uns keine Hilfestellung geben können. Niemand von uns erwartet von Ihnen, dass Sie sich irgendeiner Gefahr aussetzen. Bringen Sie uns hin, bringen Sie uns zurück. Das ist alles, was wir erwarten. Also, können wir?« Scheinbar etwas irritiert von Kerners entschlossenen Worten, stammelte der Leutnant seine Antwort. »Natürlich Sir's. Wenn Sie wollen, fahren wir sofort los.«
Sie waren bereits eine Weile unterwegs, der Offizier hatte sich langsam etwas entspannt und begann zu erzählen. »Wissen Sie eigentlich, dass der weiße Mann, den sie suchen, bei den Einheimischen schon einen Namen hat? Sie nennen ihn den Sänger . Einige der Männer aus dem Rebellencamp haben es lachend überall herum erzählt. Der Mann hat in dem Camp die zweitgrößte Hütte nach dem General . Er scheint dort eine übergeordnete Funktion zu haben. Fast jeden Tag müssen ihm die Soldaten des Lagers ein anderes Mädchen von ihren Mordzügen mitbringen. Er nimmt sie mit in seine Hütte. Dann dauert es nicht lange, und man hört im Camp, wie er ein Lied singt. Das Lied ist hier schon fast jedem bekannt. Es geht so:
Schlaf Kindlein schlaf,
der Vater hüt' die Schaf,
die Mutter schüttelt's Bäumelein,
da fällt herab ein Träumelein,
Schlaf Kindlein schlaf
Immer wieder singt er diesen einen Vers. Dann hört das Singen auf und nur noch die Schreie der Mädchen sind zu hören. Bis auch sie verstummen. Am nächsten Tag kommt ein neues Mädchen, und der weiße Mann singt wieder das Lied.« Während der Blauhelmsoldat erzählte, waren Kerner und seine Begleiter mit jedem Satz mehr und mehr verstummt. In eisiges Schweigen gehüllt, hing jeder von ihnen seinen Gedanken nach. Hass war für sie alle eigentlich niemals die Motivation, etwas zu tun oder nicht zu tun. Aber bei diesem Mann war sich dessen wohl keiner von ihnen mehr sicher.
Nachdem sie noch für kurze Zeit über straßenähnliche Wege gefahren waren, kamen sie bald schon in unwegsameres Gelände, wo man nur noch mit einem Geländejeep wie dem ihren unterwegs sein konnte. Immer dichter wurde die Vegetation um sie herum. Sie waren jetzt schon zwei Stunden lang unterwegs, und es war kaum noch ein Weg vor ihnen zu erkennen. Der Jeep musste durch tiefe Schlammlöcher und Morast. Die Gräser und Bäume waren jetzt überall so nah, dass ihnen auf dem offenen Wagen alles Mögliche ins Gesicht schlug. Plötzlich hielt der Leutnant an und machte den Motor aus.
Siegfried, der neben ihm saß, sah ihn von der Seite an.
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