Jagd auf eine Bestie 2. Teil: Thriller (German Edition)
in diesem armen Land zugutekommen. Aber damit hätte ich persönlich noch immer nichts getan.
Also entschloss ich mich, hierher zu kommen und zu sehen, ob es eine Möglichkeit für mich gäbe, selbst mit anzupacken. Ich bin die Lehrerin dieser Kinder, Marcus. Obwohl - oft frage ich mich, wer wessen Lehrer ist. Aber vielleicht kann ich es erreichen, dass einige von ihnen auf höhere Schulen gehen können, und wenn sie später gut ausgebildet zurückkommen, haben sie vielleicht die Möglichkeit, selbst mitzuhelfen, das Elend in ihrem Land zu besiegen. Ich schulde diesen Menschen das. Mehr noch Marcus, ich schulde ihnen viele Leben, aber ich kann ihnen nur einen Teil meines Lebens dafür anbieten.« Kerner hörte Bice zu und sah sie an.
»Was ist mit uns beiden? Gibt es für uns keine gemeinsame Zukunft mehr? Weißt Du nicht, wie sehr ich Dich liebe?« Tränen standen in den Augen von Bice de Vigiani. Zärtlich streichelte sie sein Gesicht. »Ich weiß Marcus, und Gott ist mein Zeuge, auch ich habe Dich geliebt, wie ich noch nie einen Mann geliebt habe. Diese Liebe hat mich zu einer schrecklichen Wahl gezwungen. Ich habe gewählt, und es war das Todesurteil für meinen eigenen Bruder. Aber Du, Marcus Kerner, hast mich getäuscht. Getäuscht und benutzt. Wenn ich auch mit meinem Bruder und meinem Vater nichts gemein habe, so doch eins. Die Vigianis können so etwas nicht vergessen.« Kerners Gedanken wanderten zurück. Was hätte er tun sollen? Was hätte er anders machen können? Nichts, und schon bei ihrer ersten Begegnung war ihm, wenn vielleicht auch nur vage, die Konsequenz seiner Handlungen bewusst gewesen. Jetzt musste er den Preis dafür zahlen. Bice legte ihre Hand liebevoll an Kerners Wange. In seinen Augen konnte sie seine Gedanken lesen. »Nichts, Marcus. Nichts hättest Du tun können. Alles, was geschehen ist, musste geschehen. Das ist das wahrhaft Traurige an unserer Geschichte. Geh jetzt, Marcus. Sonst fange ich an zu weinen, und das will ich nicht. Vielleicht, ... eines Tages ... kehre ich zurück, und vielleicht, wenn du es dann noch willst, gibt es für uns einen Neuanfang. Aber dieser Tag ist noch weit entfernt. Leb wohl, Marcus.«
Bice de Vigiani drehte sich herum. Kerners große Liebe ging zurück, dorthin, wo die Kinder im letzten Licht des Tages in ihre ärmlichen Behausungen liefen. Auf ihrer kleinen Veranda angekommen, drehte sie sich noch einmal um. Dann verschwand ihre Gestalt in der kleinen Hütte, und die Tür schloss sich hinter ihr. Schweigend sah Kerner hinüber zu der Stelle, wo sie eben noch gestanden hatte. Er würde auf sie warten. Eines Tages würde sie zu ihm zurückkehren. Er drehte sich um und ging zu seinem Wagen, der am Rand der Lichtung stand. Bald ließ er das kleine Dorf hinter sich. Das kleine Dorf dort im Kongo, in dem Bice de Vigiani erst wieder sich selbst finden musste.
Kerner war noch nicht weit gefahren, als ihm ein Wagen entgegenkam. Der Fahrer bremste direkt neben ihm auf dem schmalen Weg. Die Scheibe wurde heruntergekurbelt, und das breite Grinsen von Ramon erschien. Auf der Rückbank des Wagens saßen Tacita und Jupiter, die bei Kerners Anblick freudig bellten. Kerner streckte Ramon die Hand entgegen. »Ich muss mich noch bei Dir bedanken, Ramon. Ohne Dich würde ich jetzt zusammen mit dem Conte Vigiani in den Schluchten unter der Via Mala begraben sein.« Ramon lachte und blinzelte zum Himmel hoch. »Schon gut, Marcus. Ich glaube, es war ohnehin Zeit für eine gute Tat in meinem Leben. Aber da Du ja jetzt ein Ordensritter unserer heiligen Kirche bist, wie ich gehört habe, kannst Du bei dem da oben vielleicht auch noch ein gutes Wort für mich einlegen.« Kerner drückte Ramons Hand. »Ich glaube kaum, dass es da vieler Worte bedarf. Du bist ein guter Kerl.« Kerner zeigte auf Tacita und Jupiter. »Sonst würden Dich die beiden da nicht mögen.« In Ramons Gesicht trat wieder sein breites Lachen. »Mach Dir keine Sorgen, Marcus. Die beiden und ich werden gut auf die Contessa aufpassen.« Ramon wurde plötzlich ernst, und seine Worte waren die Worte eines Mannes, der für Kerner ein Freund geworden war. »Sie liebt Dich sehr Marcus, das weiß ich. Hab Geduld. Auf Wiedersehen, mein Freund.« Ramon startete seinen Wagen wieder. Dann gab er Gas, und bald darauf wurde sein Wagen von einer Staubwolke verschluckt.
Kerner saß da und beobachtete, wie der letzte Sonnenstrahl den afrikanischen Kontinent verließ. Er ahnte nicht, dass genau in diesem
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