Jagd auf Roter Oktober
Verstand ihm sagte, was der Ton zu bedeuten hatte.
»Was war denn das?«, fragte er wider Willen.
»Wie bitte?« Ramius stand drei Meter von ihm entfernt, und die Motoren des Raupenantriebs hatten nun zu laufen begonnen. Ein merkwürdiges Dröhnen hallte durch den Rumpf.
»Ich habe einen Schuss gehört – nein, mehrere Schüsse.«
Ramius kam auf ihn zu und sah amüsiert aus. »Sie haben den Raupenantrieb gehört und sind, wie Sie sagten, zum ersten Mal auf einem U-Boot. Anfangs ist es immer unangenehm. Selbst mir ging das so.«
Ryan stand auf. »Mag sein, Kapitän, aber ich weiß, wie ein Schuss klingt.« Er knöpfte seine Jacke auf und zog die Pistole hervor.
»Das geben Sie bitte mir.« Ramius streckte die Hand aus. »In meinem Boot dulde ich keine Waffen.«
»Wo sind Williams und Kamarow?« Ryan war unsicher geworden.
Ramius hob die Schultern. »Eigentlich sollten sie zurück sein, aber das Boot ist halt groß.«
»Ich sehe vorne nach.«
»Sie bleiben auf Ihrem Posten!«, befahl Ramius.
»Kapitän, ich habe gerade etwas gehört, das wie Schüsse klang, und ich werde im Vorschiff nach dem Rechten sehen. Ist schon einmal auf Sie geschossen worden? Ich weiß, wie das ist, und habe noch heute die Narben an der Schulter. Bitte übernehmen Sie das Steuer, Kapitän Ramius.«
Ramius hob ein Telefon ab und drückte auf einen Knopf. Er sprach kurz auf Russisch und legte dann wieder auf. »Ich werde Ihnen beweisen, dass es auf meinem Boot keine Gespenster gibt.« Er wies auf die Pistole. »Und Sie behaupten, kein Spion zu sein?«
»Was Sie glauben, Kapitän, ist Ihre Sache. Das ist eine lange Geschichte, die ich Ihnen eines Tages mal erzählen werde.« Ryan wartete auf die Ablösung, die Ramius offenbar gerufen hatte. Der Tunnelantrieb dröhnte so laut, dass man sich im Boot wie im Innern einer Trommel fühlte.
Ein Offizier, dessen Namen Ryan entfallen war, kam in den Kontrollraum. Ramius machte eine Bemerkung, die dem Mann ein Lächeln entlockte, das jäh verschwand, als er die Pistole in Ryans Hand entdeckte.
»Wenn Sie gestatten, Kapitän?« Ryan wies nach vorne.
»Nur zu, Ryan.«
Die wasserdichte Tür zwischen Kontrollraum und Funkerkabine war offen gelassen worden. Ryan betrat vorsichtig den Raum und sah sich nach beiden Seiten um. Alles klar. Er ging weiter zur Tür des Raketenraumes, die verriegelt war. Sie war einszwanzig hoch und vierzig Zentimeter breit. Ihre Schwelle befand sich dreißig Zentimeter überm Deck. Ryan drehte das Handrad, das den Verschluss betätigte. Es war gut geölt, ebenso die Angeln. Langsam zog er die Tür auf und lugte um die Lukenkimmung.
»Verdammt«, flüsterte Ryan und winkte den Kapitän näher. Der gut sechzig Meter lange Raketenraum war nur von sechs schwachen Lampen erleuchtet. Hatte hier nicht vor kurzem die helle Deckenbeleuchtung gebrannt? Am anderen Ende leuchtete ein heller Lichtfleck, und vor der Luke lagen zwei reglose Gestalten auf der Gräting. Das Licht, das Ryan sah, flackerte neben einem Raketenabschussrohr.
»Gespenster, Kapitän?«, wisperte er.
»Das ist Kamarow«, sagte Ramius und fluchte unterdrückt.
Ryan zog den Schieber an seiner FM Automatic zurück, um sich davon zu überzeugen, dass eine Patrone in der Kammer war. Dann schlüpfte er aus den Schuhen.
»Lassen Sie mich das übernehmen.«
Ryan betrat den Raketenraum.
Der Raum nahm fast ein Drittel der Gesamtlänge des U-Bootes ein und war zwei Decks hoch. Das untere Deck bestand aus Stahlplatten, das obere aus Metallgittern. ›Sherwood-Forest‹ nannte man einen solchen Raum in amerikanischen U-Booten, treffend genug, denn die knapp zwei Meter dicken, dunkelgrün gestrichenen Raketenabschussrohre sahen wie die Stämme mächtiger Bäume aus. Er zog die Luke hinter sich zu und wandte sich nach rechts.
Das Licht schien von dem entferntesten Abschussrohr an Steuerbord zu kommen, und zwar vom oberen Deck. Ryan lauschte. Dort tat sich etwas. Er hörte ein leises Rascheln, und das Licht bewegte sich, als stammte es von einer Arbeits- oder Taschenlampe. Der Schall pflanzte sich zwischen den glatten Stahlplatten des Rumpfes gut fort.
»Verdammt!«, zischte er. »Warum ausgerechnet ich?« Er musste an dreizehn Abschussrohren vorbei, um diese Lichtquelle zu erreichen, das heißt sechzig Meter überwinden.
Er schlich sich um das erste Rohr herum, Pistole in Hüfthöhe in der rechten Hand. Die linke ließ er am kalten Metall des Rohrs entlanggleiten. Schon begann seine Handfläche am Pistolenknauf
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