Jagd auf Roter Oktober
einem Decksoffizier und sieben Männern Wache hatte. Ein Mann vom Feuerleittrupp gab Daten aus einem Zielbewegungsanalysator in den Feuerleitcomputer Modell 117 ein. Ein weiterer Offizier trat ein, um das Kommando über die Ortungsübung zu übernehmen. Diese Prozedur war nicht ungewöhnlich. Die ganze Wachmannschaft erledigte ihre Arbeit wach, aber mit dem entspannten Verhalten, das man nach Jahren der Ausbildung und Erfahrung entwickelt. Während die anderen Teilstreitkräfte bei ihren Manövern routinemäßig gegen alliierte oder eigene Kräfte, die Ostblocktaktiken nachahmten, antraten, spielten die Jagd-U-Boote der Marine gegen den echten Gegner – und unablässig. U-Boot-Fahrer operieren grundsätzlich so, als stünden sie auf dem Kriegsfuß.
»Wir haben also Gesellschaft«, bemerkte Mannion.
»Nicht sehr nahe«, kommentierte Lieutenant Charles Goodman. »Die Positionen haben sich nicht geändert.«
»Hier Sonar«, erklang Jones’ Stimme. Mancuso nahm selbst ab.
»Was gibt’s, Jones?«
»Noch ein Boot, Sir. Alfa 3 , Richtung null-fünf-fünf. Läuft mit Höchstfahrt. Klingt wie ein Erdbeben, aber schwach.«
» Alfa 3? Unser alter Freund Politowski. Sind ihm schon lange nicht mehr begegnet. Sonst noch etwas?«
»Nur eine Vermutung, Sir. Der Ton dieses Kontakts flatterte und wurde dann wieder gleichmäßig, als hätte er abgedreht. Ich glaube, er kommt auf uns zu, bin aber nicht ganz sicher. Außerdem gibt es im Nordosten weitere Geräusche, aber vorerst für eine Auswertung zu konfus. Wir arbeiten daran.«
»Gut gemacht, Jones. Bleiben Sie dran.«
»Klar, Captain.«
Mancuso legte lächelnd den Hörer auf und schaute hinüber zu Mannion. »Manchmal frage ich mich, Pat, ob Jones übernatürliche Fähigkeiten hat.«
Mannion betrachtete sich die Kurven, die Goodman zur Ergänzung des computergesteuerten Zielverfahrens auf Papier zeichnete. »Er ist recht helle. Der Haken ist nur, dass er sich einbildet, wir arbeiteten für ihn.«
»Das tun wir im Moment auch.« Jones war ihr Auge und Ohr. Mancuso war froh, ihn zu haben.
»Richtung aller Kontakte noch immer konstant, Sir.« Was wahrscheinlich bedeutete, dass sie auf die Dallas zuhielten. Außerdem bedeutete es, dass es Dallas an Abstand mangelte, um die Feuerleitdaten zu entwickeln. Es wollte zwar auf niemanden schießen, aber der Zweck der Übung war eine richtige Zielortung.
»Pat, schaffen wir uns ein bisschen Bewegungsfreiheit. Steuern Sie uns zehn Meilen nach Osten«, befahl Mancuso lässig. Hierfür hatte er zwei Gründe. Erstens ließ sich aus größerer Entfernung die Entfernung zum Ziel leichter berechnen. Zweitens herrschten in tieferem Wasser günstigere akustische Verhältnisse, die ihrem Sonar die entfernten Konvergenzzonen offen legten. Der Captain betrachtete sich die Seekarte und schätzte die taktische Lage ab, während sein Navigator die nötigen Befehle gab.
Bartolomeo Mancuso war der Sohn eines Frisörs, der jeden Herbst seinen Salon in Cicero, Illinois, zumachte, um in Michigan Rotwild zu jagen. Bart hatte seinen Vater auf diesen Jagdausflügen begleitet, mit zwölf seinen ersten Hirsch erlegt und anschließend Jahr für Jahr Wild vor die Flinte bekommen, bis er zur Marineakademie ging. Von diesem Zeitpunkt an hatte er die Jagd aufgegeben, denn als Offizier auf einem Atom-U-Boot pirschte es sich aufregender – die Jagd galt Menschen.
Zwei Stunden später ertönte im Funkraum eine Alarmglocke am ELF-Gerät. Wie alle Atom-U-Boote schleppte Dallas eine sehr lange, auf die ELF (etwa: Ultralangwellen) -Frequenz eines Senders im Zentralgebiet der USA abgestimmte Antenne hinter sich her. Die Bandbreite des Kanals war frustrierend schmal. Anders als ein Fernsehkanal, UHF oder VHF, der Tausende von Daten-Bits per Bild und dreißig Bilder pro Sekunde übermittelte, gab ELF die Daten nur langsam weiter, alle dreißig Sekunden einen Buchstaben. Der Funker vom Dienst wartete geduldig, während der Spruch auf Band aufgenommen wurde. Als er beendet war, ließ der Mann das Band mit hoher Geschwindigkeit zurücklaufen, übertrug die Nachricht und reichte sie dem Funkoffizier, der mit seinem Codebuch wartete.
Eigentlich war das Signal nicht in Code, sondern in einer Chiffre abgefasst. Ein alle sechs Monate erscheinendes Buch, das an alle Atom-U-Boote verteilt wurde, enthielt eine nach der Randommethode erzeugte Umsetzung für jeden Buchstaben des Spruches. Jede verwürfelte Drei-Buchstaben-Gruppe stand für ein vorher ausgewähltes Wort
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