Jagd auf Roter Oktober
längst nicht mehr so gefährlich aus wie vor zwei Stunden«, meinte Ryan. »Wenn sie etwas gegen uns planten, würden sie doch nicht ihre strategischen Boote zurückziehen, oder?«
»Ihr Ryan guckt mal wieder in die Kristallkugel, James«, höhnte Davenport.
»Dafür wird er bezahlt, Charlie«, versetzte Greer.
»Sonderbar, warum rufen sie alle ihre Raketen-Boote zurück?«, kommentierte Ryan. »Ist das schon einmal vorgekommen? Was tun ihre strategischen Boote im Pazifik?«
»Von denen haben wir noch nichts gehört«, erwiderte Davenport. »Ich habe CINPAC um Daten gebeten, aber noch keine Antwort bekommen. Was die andere Frage betrifft: Nein, alle ihre strategischen Boote haben sie noch nie zurückgerufen, aber gelegentlich ändern sie die Positionen von allen zugleich. Damit haben wir es wahrscheinlich hier zu tun. Ich sagte, dass sie auf ihre Heimathäfen zusteuern, aber drin sind sie noch nicht. Genaueres wissen wir erst in zwei Tagen.«
»Könnten sie befürchten, dass sie eins verloren haben?«, schlug Ryan vor.
»Zu schön, um wahr zu sein«, spottete Davenport. »Seit jenem Golf, das wir vor Hawaii hoben, haben sie kein strategisches Boot verloren. Damals drückten Sie noch die Schulbank, Ryan. Nein, Ramius ist zu erfahren. Dem passiert so was nicht.«
Das hatte man über Kapitän Smith von der Titanic auch gesagt, dachte Ryan.
»Danke für die Information, Charlie«, sagte Greer und legte auf. »Sie scheinen Recht gehabt zu haben, Jack. Noch kein Grund zur Sorge.«
Nach dem Mittagessen kam durch Boten ein Päckchen von der Nationalen Aufklärungsstelle NRO. Es enthielt Photographien, die ein KH-II-Satellit am Morgen bei zwei aufeinander folgenden Durchgängen gemacht hatte. Dies waren für eine Weile die letzten Aufnahmen, da Orbitalmechanik und das meist miserable Wetter über der Kola-Halbinsel die Aufklärungsmöglichkeiten beschränkten. Die ersten Lichtbilder, die eine Stunde nach dem dringenden Spruch aus Moskau an die Flotte aufgenommen worden waren, zeigten die Schiffe vor Anker oder an Docks vertäut. Auf Infrarotbildern aber leuchtete eine Reihe von ihnen wegen innerer Hitzeentwicklung hell auf – ein Hinweis, dass ihre Kessel oder Gasturbinen in Betrieb waren. Die zweite Serie war beim nächsten Vorbeiflug aus einem sehr spitzen Winkel aufgenommen worden.
Ryan studierte die Vergrößerungen. »Donnerwetter! Kirow, Moskwa, Kiew, drei Karas, fünf Krestas, vier Kriwaks, acht Udalojs und fünf Sowremennijs.«
»Von wegen Such- und Rettungsaktion, eh?« Greer sah Ryan fest an. »Sehen Sie mal da unten. Jeder verfügbare schnelle Öltanker folgt ihnen. Da haben wir es mit dem Großteil der Nordflotte zu tun, und wenn sie Tanker brauchen, haben sie vor, eine Zeit lang auf See zu bleiben.«
»Davenport hätte sich exakter ausdrücken können. Aber ihre strategischen Boote sind nach wie vor auf dem Rückzug. Es sind übrigens keine Landungsschiffe oder Truppentransporter dabei, sondern nur Kampfeinheiten. Und ausschließlich neue, schnelle Schiffe mit großer Reichweite.«
»Und den besten Waffen.«
»Hmm.« Ryan nickte. »Innerhalb weniger Stunden losgeschickt. Sir, wenn dieses Unternehmen geplant gewesen wäre, hätten wir davon erfahren müssen. Die Entscheidung muss erst heute gefallen sein. Interessant.«
»Sie haben sich englisches Understatement angewöhnt, Jack.« Greer stand auf und streckte sich. »Ich möchte, dass Sie einen Tag länger hier bleiben.«
»Gut, Sir.« Ryan sah auf die Uhr. »Kann ich meine Frau anrufen? Ich möchte sie nicht umsonst zum Flughafen fahren lassen.«
»Sicher, und wenn Sie fertig sind, gehen Sie runter zum DIA und sprechen mit jemandem, der früher einmal für mich gearbeitet hat. Sehen Sie zu, wie viele harte Daten Sie bei diesem Ausfall erbeuten können. Wenn wir es nur mit einer Übung zu tun haben, erfahren wir das bald genug. Ihre Surf-Barbie können Sie auch morgen noch mit heimnehmen.«
Es war eine Ski-Barbie, aber Ryan verkniff sich einen Kommentar.
Sechster Tag
Mittwoch, 8. Dezember
CIA-Zentrale
Ryan war schon mehrmals im Büro des Direktors des CIA gewesen, um Lageberichte und manchmal persönliche Botschaften von Sir Basil Charleston zu überbringen. Es war größer als das von Greer, bot eine bessere Aussicht über den Potomac und war offenbar im Hinblick auf die Herkunft des Chefs eingerichtet worden. Arthur Moore war früher Richter am Obersten Gericht von Texas gewesen. Er saß mit Admiral Greer auf einem Sofa am Fenster. Greer
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