Jagd auf Roter Oktober
saß allein in der Offiziersmesse, las noch einmal die Eilmeldung durch, die er vor zwei Tagen erhalten hatte, und empfand abwechselnd Wut und Trauer. Was hatte sein Lehrer da getan? Er war wie vor den Kopf geschlagen.
Aber was konnte er tun? Tupolew hatte einen eindeutigen Befehl, den er befolgen musste, ganz besonders, wie sein Politoffizier angedeutet hatte, angesichts der Tatsache, dass er ein ehemaliger Schüler des Verräters Ramius war. Auch er selbst konnte in eine sehr unangenehme Lage kommen, wenn Ramius Erfolg hatte.
Marko hatte also alle ausgetrickst, nicht nur Konowalow. Tupolew war wie ein Tölpel in der Barents-See herumgekrochen, während Marko in die entgegengesetzte Richtung fuhr und sich wahrscheinlich über alle anderen kaputtlachte. Welcher Verrat, welch grässliche Bedrohung gegen den Sowjetstaat. Es war einfach unvorstellbar – und doch wieder nicht zu überraschend. Marko genoss so viele Privilegien: eine Vierzimmerwohnung, eine Datscha, einen privaten Lada. Tupolew hatte noch kein Auto. Er hatte sich zum Kommandanten hochgedient, aber jetzt war alles gefährdet – von dieser Situation. Nur mit Glück würde er bewahren können, was er erreicht hatte.
Ich muss einen Freund töten, dachte er. Einen Freund? Ja, gestand er sich ein, Marko war ein guter Freund und Lehrer gewesen. Warum war er auf Abwege gekommen?
Wegen Natalia Bogdanowa.
Ja, sie musste der Grund sein. Der Fall war ein Skandal gewesen. Wie oft war er bei ihnen eingeladen gewesen, wie oft hatte Natalia über ihre großen, starken Söhne gelacht. Eine prächtige Frau, die wegen der Inkompetenz eines Chirurgen hatte sterben müssen. Und da dessen Vater im Zentralkomitee saß, konnte man nichts gegen ihn unternehmen. Ein Skandal, dass so etwas nach drei Generationen Aufbau am Sozialismus noch immer möglich war, aber Markos unglaubliche Tat war durch nichts zu rechtfertigen.
Tupolew beugte sich über die Seekarte, die er mitgebracht hatte. In fünf Tagen würde er auf Station sein; rascher noch, wenn die Antriebsanlage das Tempo durchhielt. Und Marko hatte es nicht eilig. Marko war ein Fuchs, kein Bulle. Tupolew wusste, dass die anderen Alfas vor ihm eintreffen würden, aber das störte ihn nicht. Er würde sich vor Marko setzen und ihm auflauern. Marko würde versuchen, sich an ihm vorbeizuschleichen, doch Konowalow würde bereit sein. Und das war das Ende von Roter Oktober.
Nordatlantik
Der britische Sea Harrier AS-1 erschien eine Minute früher als geplant, schwebte kurz an Steuerbord der Kennedy, als sich der Pilot den Landeplatz ansah und Windgeschwindigkeit und Seegang abschätzte. Er hielt eine stetige Geschwindigkeit von dreißig Knoten ein, um sich der Fahrt des Trägers anzupassen, ließ sein Kampfflugzeug geschickt seitlich weggleiten und setzte es dann sanft kurz vor der Kommandobrücke der Kennedy genau in der Mitte des Flugdecks auf. Sofort rannten Decksmannschaften auf die Maschine zu, drei mit schweren Metallkeilen für die Räder und einer mit einer Leiter, die er am Cockpit anlegte, dessen Haube gerade angehoben wurde. Ein Viererteam schleppte eifrig einen Schlauch auf den Jäger zu, um zu demonstrieren, wie rasch bei der US-Navy Flugzeuge gewartet wurden. Der Pilot trug einen orangen Overall und eine gelbe Schwimmweste. Er legte seinen Helm auf den hinteren Sitz, stieg die Leiter herunter, blieb kurz stehen, um sich davon zu überzeugen, dass seine Maschine in kompetenten Händen war, und sprintete dann hinüber zur Kommandobrücke. Am Eingang traf er Ryan.
»Sind Sie Ryan? Ich bin Tony Parker. Wo kann man hier mal?« Nachdem ihm Ryan die entsprechenden Hinweise gegeben hatte, flitzte der Pilot weg und ließ Ryan in seiner Kombination und mit der Tasche in der Hand etwas verwirrt stehen. In der linken Hand hatte er einen Fliegerhelm aus weißem Kunststoff. Er sah zu, wie die Besatzungsmitglieder den Harrier auftankten, und hoffte, dass sie auch wussten, was sie taten.
Drei Minuten später kam Parker zurück. »Commander«, meinte er, »eines, was sie nie in einen Jäger einbauen, ist ein verdammtes Klo. Erst wird man mit Tee und Kaffee voll getankt und dann losgeschickt. Und man weiß nicht, wohin damit.«
»Ich kenne das Gefühl. Haben Sie sonst noch etwas zu tun?«
»Nein, Sir. Ihr Admiral sprach auf dem Herweg über Funk mit mir. Sieht so aus, als hätten Ihre Leute meinen Vogel aufgetankt. Sollen wir loszischen?«
»Was fange ich damit an?« Ryan hob seine Tasche, da er erwartete, sie auf dem
Weitere Kostenlose Bücher