Jagd in der Tiefsee (Cryptos)
über die Schulter zu, sie sollten es schließen, damit Bo nicht wieder abhauen konnte. Einer der beiden Kerle warf das Tor zu, dann sprinteten sie beide die Mole hinunter zum Schiff.
»Was soll ich tun, wenn wir halten?«, schrie Luther.
»Rennen!«, rief Marty zurück. »Flitze an Bord und such dir ein Versteck, bis wir Bo unter Kontrolle haben.«
Noch bevor das Quad zum Stehen kam, war Luther abgesprungen und die Gangway der »Coelacanth« hinaufgesaust. Bo war ihm dicht auf den Fersen, sie hatte ihre Angst vor Schiffen offenbar völlig vergessen.
»Schlange!«, brüllte Marty, woraufhin TH mit einem Riesensatz in seiner Hosentasche verschwand, eine Sekunde bevor die zwei Sicherheitsheinis vor ihnen standen.
Marty blickte sie an. »’tschuldigung«, sagte er. Er hatte es absolut nicht eilig, Luther und Bo auf dieses verfluchte Gruselschiff zu folgen.
»Entschuldigung?«, knurrte Eierkopf 1. »Das trifft es ja wohl nicht ganz! Ihr habt gerade sämtliche geltenden Sicherheitsbestimmungen verletzt!«
»Und uns dabei fast noch umgebracht«, fiel Eierkopf 2 ein.
»Sorry, Wolfe hat mich gebeten Bo an Bord zu schaffen, und das war der einzige Weg, den ich gesehen habe«, erklärte Marty. »Eins muss ich Ihnen übrigens lassen: Sie haben wirklich erstklassige Reflexe. Zum Glück sind Sie zur Seite gesprungen, sonst hätten wir mit unserem Quad ganz schön alt ausgesehen.«
Die Schmeichelei schien die beiden Kolosse ein wenig zu besänftigen. »Unser Job ist es, jeden zu durchsuchen, der an Bord des Schiffes geht«, erklärte Eierkopf 1.
»Na, bei Bo gibt’s ja nicht viel zu durchsuchen«, wandte Marty ein. »Die ist ja nackt und hat keine Taschen. Und für Luther kann ich mich verbürgen. Der hat nichts angerührt auf der Insel, geschweige denn mitgenommen.« Marty betrachtete die Hände der Sicherheitsmänner: Sie waren extrem gerötet und zerkratzt.
»Wenn Sie wollen, können Sie mich gerne noch mal durchsuchen«, bot Marty an.
»Lass mal stecken«, sagte Eierkopf 2. »Du gehst jetzt besser an Bord. Du und dein Freund, ihr seid die Letzten. Wir laufen in einer halben Stunde aus.«
»Begleiten Sie uns etwa?«, wollte Marty wissen.
Eierkopf 1 grinste. »Bist ’n ganz Heller«, sagte er.
Marty grinste zurück. Vielleicht waren die beiden doch nicht so übel.
»Wie heißen Sie eigentlich?«, fragte er.
»Ich bin Roy«, antwortete Eierkopf 1.
»Joe«, sagte Eierkopf 2.
Marty blickte zögernd auf das Geisterschiff. Die Gangway kam ihm vor wie eine lange Zunge, die geradewegs in den Schlund eines Drachen führte. »Roy und Joe, glauben Sie an Geister?«
Entschieden schüttelten die beiden ihre rasierten Köpfe.
»Warum jagt die Schimpansin deinen Freund?«, fragte Roy.
»Sie will nur seinen Skalp«, antwortete Marty. »Puh, das wird bestimmt ’ne verdammt lange Seereise.«
Mit weichen Knien betrat er endlich die Gangway.
Hetzjagd
Luther hing nicht besonders an seinen hellroten Haaren, aber er war auch nicht scharf darauf, sie sich von einer geistesgestörten Schimpansin ausreißen zu lassen.
Marty würde für diese schwachsinnige Köderaktion büßen, das schwor sich Luther, aber zuerst musste er Bo abschütteln. Und das war leichter gesagt als getan, denn Bo war extrem fix und wendig. Ein paar karottenrote Errungenschaften hatte sie bei ihrer wilden Jagd durch enge Gänge und Lukentüren und über steile Schiffstreppen bereits gemacht. Ein halbes Dutzend Leute hatte sie dabei über den Haufen gerannt. Einige von ihnen hatten geflucht, andere gelacht, aber keiner war Luther zu Hilfe gekommen. Auf dem Unterdeck geriet Luther schließlich in eine Sackgasse, an deren Ende sich eine Tür mit einer Aufschrift befand:
MOONPOOL
Zutritt für Unbefugte strengstens verboten!
Wie sich herausstellte, war es eine pneumatische Tür, denn sie öffnete sich mit einem zischenden Geräusch vor Luther, der einfach hindurchrannte. In dem Moment, als Bo auftauchte, begann sich die Tür mit demselben schmatzenden Geräusch hinter ihm zu schließen. Luther war in einer Art Luftschleuse gefangen, mit einer weiteren Tür vor der Nase, die sich zu seiner Erleichterung ebenso prompt öffnete. Ohne zu überlegen, rannte er los – geradewegs in eine Frau hinein, die eine Trillerpfeife im Mund hatte und einen Metalleimer mit Fischen in der Hand. Sie schien nicht im Mindesten erschrocken, dass plötzlich ein wildfremder Junge buchstäblich auf ihr drauflag. Luther hingegen war so geschockt, dass er kurz vergaß, warum er
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