Jagdfieber
heldenhaft hingenommen hatte, dabei hatte diese falsche Schlange nur auf den passenden Moment gewartet, um endlich wieder ihr tödliches Gift zu verspritzen. Und da sie für ihr Unglück selbst verantwortlich war, hatte sie noch nicht einmal das passende Gegenmittel zur Hand. Charlotte war wirklich raffiniert, denn jetzt fühlte sich Paige ganz allein auf weiter Flur und stand als böses Luder da, während sich dieses intrigante Weibsstück mitleidheischend in der Rolle der verlassenen Geliebten suhlte.
Sie räusperte sich und konnte sich den versteckten Sarkasmus in ihrer Stimme nicht verkneifen: „Ich denke, ich weiß ziemlich genau, aus welchem Grund er nach London gereist ist. Er war in Charlottes Begleitung im Restaurant, und ich würde sogar meinen Erstgeborenen verwetten, dass sie es war, die ihn hierher geholt hat.“
Victors ohnehin schon blasses Gesicht verlor auch noch den letzten Rest an Farbe. Ob das an der Möglichkeit lag, dass sie eines Tages vielleicht ein Kind in die Welt setzen könnte, oder dass Charlotte ihre Finger im Spiel hatte, konnte sie nicht so recht einschätzen.
„Charlotte …“, er lachte freudlos und schüttelte voller Unverständnis den Kopf, als er wohl folgerichtig kombinierend die Situation einzuschätzen wusste. „Gott, eigentlich hätte ich wissen müssen, dass sie nicht einfach aufgibt.“
Sein Blick ging schnurgerade an Paige vorbei. Statt sie anzusehen, fixierte er einen unbekannten Punkt hinter ihrem Rücken. Seine Augen, Gott, sie sahen so leer aus, so gleichgültig, als würde ihn das alles gar nicht berühren. Paige spürte aber instinktiv, dass dem ganz und gar nicht so war, und war entschlossen, ihn zum Bleiben zu bewegen. Wenn er jetzt ginge, würden sie sich unendlich weit voneinander entfernen, und selbst wenn sie wieder zueinander fänden, würde es schwierig werden, noch unbefangen miteinander umzugehen.
„Bitte, geh nicht fort“, bat sie ihn mit weicher Stimme und legte eine Hand an seine Wange. Er neigte sich ihr entgegen, bis seine Stirn an ihre stieß, und seufzte leise. Endlich zeigte er so was wie Emotionen.
„Ich will nicht gehen“, gestand er. „Aber ich kann nicht bei dir bleiben, solange ich nicht weiß, ob du noch was für den Kerl empfindest.“
Sie öffnete den Mund, um ihren Protest kundzutun, doch er legte ihr einen Finger auf die Lippen. „Widersprich mir nicht. Du weißt selbst, dass du ein sehr impulsiver Mensch bist und dich Hals über Kopf in alles stürzt, was dir spannend erscheint. Ich habe keine Lust, nur ein Lückenbüßer zu sein, und möchte, dass du dir ein für alle Mal darüber klar wirst, was du von deinem Leben willst.“
Dich , dachte sie unglücklich, weil er so wenig auf ihre Gefühle vertraute, doch er war noch längst nicht am Ende und sprach weiter, als hätte sich eine Schleuse geöffnet, durch die all seine Bedenken ungehindert herausfließen konnten.
„Eines musst du verstehen, denn ich kann dir ansehen, dass du enttäuscht bist, weil ich dir nicht vertraue. Aber du kennst meine Vergangenheit, und meine Mutter hat eine Menge kaputtgemacht, was das angeht.“
„Aber du hast sie doch trotzdem geliebt“, warf sie ein.
Victor nickte nachdrücklich. „Oh ja, das habe ich. Immerhin war sie meine Mutter, aber deswegen bin ich nicht blind für ihre Fehler. Sie hat meinen Vater belogen und am Ende auch sich selbst, weil sie solange bei ihm geblieben ist, anstatt einen Schlussstrich zu ziehen. Sie hat ihn nie geliebt, sonst hätte sie ihn niemals so behandelt, und er hat es ertragen. Heute kann ich sein Verhalten sogar nachvollziehen, weil ich mich auf einmal in einer ähnlichen Situation befinde, doch eines hab ich ihm voraus: Ich bin nicht so naiv und dumm, jahrelang darauf zu hoffen, dass die Frau, die ich liebe, das Gleiche für mich fühlt. Was ich möchte, sind klare Verhältnisse, deswegen bitte ich dich, ein Treffen mit Jason zu arrangieren, damit ihr euch aussprechen könnt.“
Paige konnte ihn ein Stück weit verstehen, obwohl ihr vor einem solchen Gespräch unendlich graute.
„Ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll“, gestand sie.
„Dir wird schon das Passende einfallen, wenn du ihn siehst“, meinte er nun wieder etwas frostiger.
Sie konnte ihm an der Nasenspitze ansehen, dass ihm der Gedanke nicht behagte.
„Und Paige …“
„Ja?“
Er wich ihrem Blick aus, seine Stimme klang bedrückt. „Wenn du dich für ihn entscheidest, möchte ich, dass du Seymour Manor umgehend
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