Jagdfieber
Stimmung in Erfahrung zu bringen. Sein Bruder sah nicht aus wie jemand, der schon bald die Frau seiner Träume heiraten würde, und den erschreckend düsteren Anblick, den er bot, fand Victor alarmierend. Er sprach ihn direkt auf seine schlechte Stimmung an, und es dauerte auch nicht lange, bis sein Bruder ihm ziemlich zerknirscht eingestand, dass er über mehrere Wochen hinweg mit Chloe, der Tochter seiner Verlobten Leanne, geschlafen hatte. Und nun konnte er sie – nach dem Ende dieser Liaison – nicht mehr vergessen. Victor war nicht überrascht über diese Entwicklung. Ihm war schon nach dem ersten Treffen mit Leanne Carter klargewesen, dass Ryan mit dieser Frau nicht glücklich werden konnte. Er liebte das Leben und Ausschweifungen jeder Art, Verpflichtungen waren ihm ein Gräuel. Leanne tickte ähnlich, war sprunghaft und unzuverlässig. Sie wäre nie in der Lage gewesen, ein wenig Ruhe und Stabilität in Ryans rastloses Leben zu bringen. Bei Chloe verhielt sich das ganz anders. Sie entsprach schon eher dem Bild einer zukünftigen Lady Seymour, war freundlich und sehr hübsch, ohne übertrieben schön zu sein. Noch dazu war sie mit ausreichend Denkvermögen und Courage ausgestattet, um seinem Bruder ab und an den Kopf zurechtzustutzen. Ryan musste jetzt nur noch Mut und Herz beweisen, sich von Leanne trennen und beten, dass seine junge Geliebte nicht zu viele Skrupel hatte, um mit dem Ex-Verlobten ihrer Mutter eine Beziehung einzugehen. Dieses eine Mal würde sein kleiner Bruder um das Glück kämpfen müssen, das ihm sonst so schwerelos zuflog. Victor hätte ihm gerne unter die Arme gegriffen, wusste aber, dass Ryan da allein durchmusste, auch wenn es ihm schwerfiel, sich aus dieser Sache rauszuhalten. Nichtsdestotrotz fühlte er sich verantwortlich, immerhin hatte er Ryan nach dem Tod der Eltern aufgezogen und ihm jahrelang Vater und Mutter ersetzt. Es war nur natürlich, dass er ihm Enttäuschungen ersparen wollte und das Beste im Leben wünschte. Und das war seinem Ermessen nach nicht Leanne. Chloe hingegen wäre durchaus in der Lage,ihn glücklich zu machen, auf eine Weise, die Victor wohl nie erleben würde.
Sein Mund füllte sich bei diesem Gedanken mit Bitterkeit. Er konnte sie tatsächlich schmecken, verspürte Übelkeit und Frustration. Alles in seinem Leben war in Schieflage geraten, und er verfluchte Paige dafür, weil sie seinen durchgeplanten Alltag derartig durcheinandergebracht hatte, dass ihm sein freudloses Leben wie ein Spiegel vor die Nase gehalten wurde. Vor ihrem Auftauchen war er vielleicht nicht glücklich gewesen, aber er hatte sich mit seinem Leben arrangiert, ebenso mit seinem Status als Single und der damit verbundenen Einsamkeit. Charlotte hatte für seinen sexuellen Ausgleich gesorgt, doch seit Paige auf Seymour Manor lebte, fiel es ihm immer schwerer, diese Treffen zu genießen. Charlotte war nicht blöde und merkte, dass er sich immer mehr von ihr entfernte. Das hatte zur Folge, dass sie anfing, erheblich zu klammern. Sie schickte ihm SMS, E-Mails mit delikatem Inhalt, rief ihn laufend an. Victor fühlte sich eingeengt und belästigt. Paige wurde im Gegenzug immer verlockender.
Der heutige Nachmittag kam ihm wieder in den Sinn, und er hätte um ein Haar aufgestöhnt, weil ihm augenblicklich die Hose zu eng wurde. Victor meinte noch immer, das seidige Fleisch ihrer Weiblichkeit unter seinen Lippen zu spüren, die samtige Haut ihrer Schenkel an seinen Wangen und die cremige Erregung, die sich als köstlich mundende Patina an seinen Gaumen geschmiegt hatte. Auch Stunden danach schaffte er es nicht, diese Momente aus seinem Kopf zu kriegen, und er litt Höllenqualen, weil er sich nichts sehnlicher wünschte, als sich in ihrer süßen Weiblichkeit zu versenken.
Hitze stieg ihm in die Wangen, das Blut pochte pulsierend gegen seine Schläfen – die Vorboten von höllischen Kopfschmerzen, wenn er den tobenden Druck in seinem Körper nicht bald loswurde. Hölle noch mal! Was er brauchte, war Sex. Jetzt sofort. Die Begierde nach Paige würde ihn sonst noch um den Verstand bringen.
„Victor, da bist du ja! Ich habe schon jeden Winkel nach dir abgesucht, nachdem Madeline mir gesteckt hat, dass du hier bist. Kann es sein, dass du mir aus dem Weg gehst?“
Charlotte. Gerade noch rechtzeitig, um ihn vor einer gnadenlosen Dummheit zu bewahren. Er drehte sich um, gab sich den Anschein von Überraschung.
„Was machst du denn hier?“
Sie sah verärgert aus, eine keilförmige Falte
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