Jagdhunde (German Edition)
den Fluss anschwellen lassen. Wisting spürte das eiskalte Wasser um seine Beine wirbeln. Er tastete sich vor, fand aber keinen richtigen Halt auf dem von Steinen übersäten Grund.
Haglund stapfte weiter und war schon fast am anderen Ufer. Plötzlich riss er die Arme in die Höhe, so als versuchte er, sich an irgendetwas festzuhalten. Er schwankte und fiel rücklings in den reißenden Fluss.
Wisting machte kehrt und ging wieder an Land. Er ließ das Licht der Taschenlampe über das Wasser gleiten, konnte Haglund aber nicht entdecken.
Plötzlich sah er seinen Kopf auftauchen. Haglund rief etwas und fuchtelte wieder mit den Armen, um gegen die Wassermassen anzukommen. Wisting hielt den Lichtkegel auf ihn gerichtet und sah, wie Haglund das Ufer auf der anderen Seite erreichte.
Er kämpfte sich die Uferböschung hoch, doch plötzlich gab die Erde unter seinen Füßen nach. Der ganze Abhang rutschte ab. Haglund streckte die Hand nach einer Baumwurzel aus, bekam sie aber nicht zu fassen. Er fiel und landete krachend auf ein paar Steinen, die aus der Wasseroberfläche herausragten.
Haglunds Körper wurde vom Wasser mitgerissen und folgte den wogenden Bewegungen des Flusses. Wisting lief am Ufer entlang und versuchte, Haglund nicht aus den Augen zu verlieren. Er trieb mit dem Gesicht nach unten auf dem Wasser, nur sein Rücken war erkennbar.
Wisting hielt einen Arm ausgestreckt und schlug Äste und Zweige beiseite. Die Strömung trieb Haglund herüber auf seine Uferseite. Als er noch zwei Meter vom Land entfernt war, warf Wisting die Taschenlampe fort und stieg ins Wasser. Der Fluss war an dieser Stelle tiefer, sofort verschwanden die Steine unter seinen Füßen.
Nach ein paar kräftigen Schwimmzügen war er bei Haglund. Die Strömung riss sie beide mit sich. Wisting trat im Wasser umher und versuchte, seine Schultern über der Oberfläche zu halten. Der reißende Fluss zerrte an seinen Kleidern und zog ihn wieder hinunter, doch schließlich gelang es Wisting, Haglunds reglosen Körper umzudrehen.
Ein paar krampfartige Bewegungen durchzuckten Haglund, aus seinem Mund kamen gurgelnde Geräusche.
Wisting legte den linken Arm um Haglunds Kinn, um ihn vor dem Ertrinken zu bewahren, und zog ihn gleichzeitig mit sich in Richtung Ufer.
Er schwamm mit einem Arm. Beim Luftholen drang jedes Mal Wasser in seinen Mund. Er spuckte, hustete und spürte, dass sie beide kurz davor waren, in den Fluten zu versinken. Wisting bewegte schwerfällig die Beine, spürte dann aber plötzlich festen Grund. Seine Füße fanden Halt. Er zerrte Haglund mit sich ans Ufer, rang mühsam nach Luft und zog den schweren Körper an Land.
Die Strömung hatte sie zurück zu dem Abhang unterhalb von Ravnebergs Bauernhof geführt.
Auf Händen und Knien sackte Wisting in sich zusammen. Er rieb sich das Wasser aus den Augen und hustete ein paarmal.
Irgendjemand zerrte Haglund weiter den Abhang hinauf. Wisting hörte Line sagen, dass er atme.
Dann stand er auf. In der Ferne erklang das Heulen von Polizeisirenen.
80
Rudolf Haglund lag im Notarztwagen und starrte Wisting mit seinen kleinen schwarzen Augen an. Ihre Blicke trafen sich. Die Gesichtszüge des Mannes auf der Bahre verhärteten sich zusehends. Er öffnete den Mund und schien etwas sagen zu wollen, schloss ihn aber wieder.
Zwei uniformierte Polizisten kletterten zu ihm in den Wagen. Wisting schloss die Hecktür und das Auto entfernte sich langsam über den schmalen Weg.
Die Luft war still und von einer eigenartigen Atmosphäre erfüllt, wie es immer war, wenn Fälle, die sich lange Zeit hingezogen hatten, einen guten und ersehnten Ausgang nahmen. Es war eine Art Innehalten und die Ermittler brauchten ein wenig Zeit, um weitergehen zu können.
Irgendjemand hatte Wisting eine Decke über die Schultern gelegt. Dennoch fror er. Er stand da und betrachtete die Geschehnisse. Überall um ihn herum summte es geradezu vor lauter Aktivität. Scheinwerfer wurden eingeschaltet und die Beamten der Spurensicherung zogen sich ihre sterilen weißen Overalls an, mit Überschuhen, Handschuhen und Kapuzen. Andere Ermittler standen in kleinen Grüppchen und diskutierten miteinander. Funkgeräte krächzten und Absperrband wurde ausgerollt.
Frank Robbek stand hinter der Absperrung. Dann und wann hielt er einen vorbeikommenden Polizisten an, fragte etwas oder kam mit einem Ratschlag.
Line stand mit Tommy und den beiden Kollegen von der Zeitung zusammen. Der älteste von ihnen telefonierte und machte dabei
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