Jagdhunde (German Edition)
nickte stumm.
Der Gips wurde zu einer dünnflüssigen weißen Masse, die Haber vorsichtig auf den Abdruck goss. Als der Boden bedeckt war, verteilte er zur Verstärkung ein paar Birkenzweige kreuz und quer auf der Masse. Dann fügte er den restlichen Gips hinzu und bat Wisting, wieder die Schüssel darüberzustellen.
»Wie wär’s mit Kaffee?«, schlug Haber vor. »Das muss jetzt circa eine Stunde trocknen.«
Wisting hatte irgendwo im Küchenschrank einen Rest Pulverkaffee gesehen und bat Haber in die Hütte.
Der alte Kriminaltechniker blickte umher, während Wisting die Zeitung weglegte und den Küchenschrank durchsuchte. Schließlich fand er das halb leere Glas mit Pulverkaffee und eine Packung Kekse. Er nahm beides heraus und stellte einen Kessel Wasser auf den Herd.
Finn Haber hatte die Zeitung auf dem Küchentisch ausgebreitet. »Da sind Bilder von uns«, sagte er.
Wisting beugte sich über ihn und entdeckte das abgedruckte Bild von sich selbst. Haber war auf einem im Zusammenhang mit der Rekonstruktion an der Gumserød-Wegkreuzung entstandenen Archivbild zu sehen. Der Kriminaltechniker stand mit einer Gruppe von Ermittlungsbeamten zusammen und gestikulierte mit den Händen. Fast alle außer Wisting waren auf dem Foto versammelt. Kai Skodde, Magne Berger, Thore Akre, Ola Kiste, Vidar Bronebakk und Svein Teigen. Frank Robbek stand abseits und trug, der Täterbeschreibung entsprechend, ein weißes T-Shirt und Jeans, hatte aber seine dicke Brille aufbehalten. Er lehnte am Kofferraum des für die Rekonstruktion geliehenen weißen Opels und drehte sich eine Zigarette.
»Das da wird ihm auch kein Alibi verschaffen können«, konstatierte Finn Haber und legte den Finger auf das Bild des nie vernommenen Zeugen. »Der Zeuge hat den weißen Opel gegen acht Uhr abends gesehen. Da war Cecilia schon fast sechs Stunden verschwunden.«
Wisting studierte den Mann auf dem Foto. Eisblaue Augen starrten ihm aus einem grob geschnittenen, zerfurchten Gesicht entegegen. Das Haar war lockig und zerzaust.
»Aber davon mal abgesehen«, wandte er ein. »Was ist das für ein Mensch, der ein junges Mädchen entführt, es einsperrt und dann auf Angeltour geht?«
»Ein Mensch wie Rudolf Haglund«, entgegnete Haber.
Das Wasser kochte.
Wisting nahm den Kessel von der Herdplatte. »Das ist aber ohnehin nicht der Punkt«, meinte er und gab einen Löffel Pulverkaffee in die Tassen. »Er wurde nie vernommen. Sein Hinweis wurde nie überprüft.«
Der alte Kriminaltechniker las schweigend weiter. Wisting füllte heißes Wasser in die Tassen und rührte um.
»Er sagt nicht, dass er mit dir gesprochen hat«, fuhr Haber fort und nahm die Tasse, die Wisting ihm reichte. »Er wird so zitiert, dass er darum bat, mit dem Verantwortlichen zu sprechen.«
»Aber das war ich doch«, erinnerte ihn Wisting.
Haber warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Und? Hast du mit ihm gesprochen?«
»Daran würde ich mich erinnern.«
»Nicht nur das. Du hättest ihn zur Vernehmung gebeten.« Haber stellte die Tasse auf der Zeitung ab, ohne den Kaffee probiert zu haben. »Alle eingehenden Telefonhinweise wurden damals zu Frank Robbeks Büro durchgestellt«, fuhr er fort. »Das war das Einzige, wozu wir ihn gebrauchen konnten.«
Wisting nickte. Frank Robbek war damals aus den Ermittlungen völlig herausgefallen, hatte aber die Aufgabe bekommen, die über Telefon eingehenden Hinweise aufzunehmen. Auch wenn der Zeuge darum gebeten hatte, mit dem Verantwortlichen zu sprechen, wäre er zunächst mit Robbeks Büro verbunden worden, wo generell entschieden wurde, welche Telefonate zum Fahndungsleiter durchgestellt werden sollten.
»Selbst das hat er nicht geschafft«, stöhnte Haber und fluchte, bevor er die Kaffeetasse nahm. »Robbek war schon ein komischer Vogel.«
»Er war ein guter Polizist«, wandte Wisting ein.
»Bis er dann völlig übergeschnappt ist«, entgegnete Haber. »Aber irgendwas war immer schon seltsam an ihm.«
Wisting überlegte eine Weile und kam zu dem Schluss, dass er Frank Robbek zuallererst als einen willensstarken und eigenwilligen Ermittler gekannt hatte. Einen entschlossenen Taktiker, der alle Schritte aus strategischen Gesichtspunkten erwog. Bis er dann zusammengebrochen war.
Aber vielleicht hatte es auch noch etwas anderes an ihm gegeben. Etwas Undefinierbares, das auf einer anderen Ebene als der rein fachlichen lag, die er und Wisting gemeinsam hatten.
»Ich weiß noch, dass ich mich fragte, ob er vielleicht schwul ist«, sagte
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