Jagdhunde (German Edition)
und ging gleich zum Kleiderschrank. In der untersten Schublade fand er eine schwarze Mütze und ein Paar Lederhandschuhe. Aus einem der Fächer mit Winterkleidung nahm er einen schwarzen Rollkragenpullover heraus. Er wusste, dass er irgendwo auch eine schwarze Jeans liegen hatte, und fand sie schließlich hinter einem Stapel zusammengelegter Hemden.
Wisting zog sich um und stellte sich vor den Spiegel. Er war unrasiert, seine Augen waren gerötet, aber sein Aufzug passte gut zu seinem Vorhaben. Schließlich wandte er den Blick ab, so als hätte er keine Lust, sich selbst in die Augen zu sehen.
Der Plan hatte nach dem ersten Gespräch mit dem Rechtspsychiater Form angenommen. Danach hatte er sich nicht mehr von dem Gedanken befreien können, dass derjenige, der Cecilia Linde entführt hatte, auch hinter dem Verschwinden von Ellen Robbek steckte.
Damals war einer der älteren Ermittler für die Aufklärung des Ellen-Falls verantwortlich gewesen. Wisting war erst später dazugekommen und hatte sich nie so recht ein vollständiges Bild machen können. Als Cecilia ein Jahr später verschwand, hatte Frank Robbek die Aufgabe übernommen, das ganze alte Material noch einmal zu durchforsten. Wisting zweifelte nicht daran, dass Robbek gründliche und gewissenhafte Arbeit geleistet hatte, doch angesichts der Worte des Psychiaters musste Wisting die Unterlagen unbedingt noch einmal selbst ansehen. Und das bedeutete, dass er sich ohne Schlüssel und elektronische Karte Zugang zum Archiv des Polizeipräsidiums verschaffen musste.
Wisting schloss ab und zwängte sich durch die Hecke in den Garten des Nachbarhauses. Mitten auf dem weitläufigen Rasen stand ein Trampolin. Ein Dreirad lag umgestürzt in der Tür zu einem Spielhaus, auf dem zum Haus führenden Kiesweg lag ein Springseil. Im Rosenbeet fand Wisting, wonach er suchte. Einen Fußball. Er hob ihn auf, legte ihn in den Wagen und fuhr dann rückwärts vom Hof.
Die Reifen gaben auf dem regenfeuchten Asphalt ein plätscherndes Geräusch von sich. Die altbekannte Wegstrecke wurde von den Frontscheinwerfern erhellt. Über dreißig Jahre war er fast jeden Tag hier entlanggefahren und hätte es wahrscheinlich auch mit verbundenen Augen tun können.
Als er sich dem Polizeipräsidium näherte, bog Wisting an der alten Feuerwache ab und fuhr hinüber zum Parkplatz am Bøkkerfjellet. Er stellte den Motor ab, blieb hinter dem Lenkrad sitzen und starrte über die Linneagate. Nur fünfzig Meter trennten ihn an diesem Standort von der Hofeinfahrt und dem Personaleingang.
Die Uhr am Armaturenbrett zeigte 23:04. Die Kollegen der Nachtschicht waren um diese Zeit gerade eingetroffen, während sich die Polizisten von der Abendschicht wahrscheinlich in der Garderobe befanden.
Wisting wollte abwarten, bis sich das Haus weiter leerte. Nach drei Minuten kam einer der ältesten Beamten von der Schutzpolizei mit einem Fahrrad heraus. Er hielt vor dem Eingang an und setzte sich einen Helm auf, bevor er losfuhr. Dann wurde die Tür erneut geöffnet und zwei Männer und eine Frau traten auf die Straße. Wisting kannte alle drei und duckte sich tiefer unter das Lenkrad.
Vom Parkhaus im Hof kamen drei Autos herausgefahren. Keines von ihnen näherte sich Wistings Standort.
Als die Lichter der Scheinwerfer verschwunden waren, stieg Wisting aus dem Wagen und nahm den Fußball mit.
Das nächstliegende Gebäude neben dem Präsidium bestand aus den Überresten der Brynje- Textilfabrik, die abgerissen wurde, um Platz für den Neubau des Präsidiums zu schaffen. Wisting schlich sich an den alten Backsteinmauern entlang und versteckte sich hinter einem Kasten mit Streusand. Der Hof des Präsidiums lag weitgehend im Dunkeln, nur etwas erhellt von einem Laternenmast auf dem oberen Parkdeck.
Durch einen Spalt zwischen Mauer und Kasten hatte er freien Blick auf das Einfahrtstor zur Tiefgarage, konnte von anderen aber selbst nicht entdeckt werden.
Wisting blickte an der Fassade hinauf. Das ganze Polizeipräsidium schien sich im Halbschlaf zu befinden. Sein ehemaliges Büro war dunkel. Ein Stückchen entfernt brannte Licht im Büro von Nils Hammer, doch abgesehen davon wies nichts darauf hin, dass an dem Fall der vermissten Linnea Kaupang gearbeitet wurde. Aus Erfahrung wusste Wisting, dass die Fahnder im Augenblick wohl nicht viel mehr ausrichten konnten. Vier Tage waren vergangen. Man hatte die meisten Zeugen vernommen und die betreffenden Gegenden abgesucht. Ohne weitere konkrete Spuren konnte die
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