Jagdhunde (German Edition)
seist.«
Wisting nahm noch etwas von dem Kuchen. Es war nicht nötig, das Thema weiterzuverfolgen. Weder Suzanne noch er sagten etwas. Schließlich stand Suzanne auf und begann, leere Gläser und benutztes Geschirr von den Cafétischen abzuräumen.
Er war erstaunt, wie wenig sich Suzanne um die Situation zu kümmern schien. Er brauchte jemanden, mit dem er reden konnte, doch Suzannes Ton klang wie eine Anklage. Das Café mochte zwar nicht der rechte Ort zum Reden sein, aber ein wenig Zeit hätte sie doch für ihn erübrigen können.
Ihre Beziehung hatte sehr gut begonnen. Vor drei Jahren hatten sie sich in Zusammenhang mit einem Fall kennengelernt. Ingrid war zu jenem Zeitpunkt erst zwei Jahre tot gewesen und Wisting hatte nicht einmal im Traum daran gedacht, jemand anderen zu suchen, mit dem er sein Leben teilen könnte. Zu Beginn hatte er sich überhaupt keine Vorstellung über das Verhältnis machen können, doch nach einer Weile hatte er bemerkt, wie wohl er sich mit Suzanne fühlte. Auch Line hatte ein enges Verhältnis zu Suzanne entwickelt, was ihm sehr viel bedeutete. An die vergangenen drei Jahre konnte er nur mit einem guten Gefühl zurückdenken, aber jetzt spürte er, dass Suzanne dabei war, ihm zu entgleiten. Sie war abwesend und kühler als sonst. Er konnte durchaus nachvollziehen, dass sie sich mit der Person, mit der sie zusammenlebte, auch sicher fühlen wollte. Sie hatte viel durchgemacht und Sicherheit war ihr sehr wichtig. Auch ihm war Sicherheit wichtig, aber dennoch definierte er sie wohl etwas anders. Für ihn ging es dabei nicht in erster Linie um physische Anwesenheit. Er war daran gewöhnt, viel allein zu sein, und konnte dies auch durchaus schätzen. Es ging ihm eher darum, nicht jedes Wort und jeden Gedanken abwägen zu müssen. Um die Sicherheit, dass man sich gegenseitig vertraute. Um ein Gefühl der Nähe, auch wenn sich der andere gerade bei der Arbeit oder womöglich sogar in einem fremden Land befand. Ingrid und er hatten genau diese Nähe herstellen und bewahren können. Viele Jahre hatte sie als Entwicklungshelferin im Ausland gearbeitet, und obwohl sie oft lange voneinander getrennt waren, hatten sie dieses Gefühl von Nähe niemals verloren. Stets hatte er sich ihr am Telefon anvertrauen können und sie sich ihm ebenso. Mit Suzanne war es viel schwieriger, Nähe aufrechtzuerhalten, da sie beide so viel arbeiteten. Sie wurden einander fremd und die Unterhaltungen reduzierten sich auf unpersönliche Worte.
Wisting sah Suzanne zu, während sie zwischen den Tischen umherlief und ihm dabei einen Blick zuwarf. Er glaubte, darin einen neuen Ausdruck erkennen zu können. Ihre dunklen Augen wirkten abschätzend, etwas kühl und misstrauisch, ja vielleicht sogar ein wenig verängstigt.
Jetzt war es ganz deutlich geworden, dachte er, auch wenn es schon eine Weile wie ein Schatten dagelegen hatte. Nachdem sie das Café eröffnet hatte, war eine Distanz zwischen ihnen entstanden. Zu Beginn hatte er abends oft dagesessen und gewartet, bis sie das Lokal aufgeräumt und geschlossen hatte, doch immer häufiger war es so gekommen, dass er sich schlafen legte, bevor sie nach Hause kam – und aufstand, bevor sie am Morgen erwachte. Er musste hierherkommen, um mit ihr zusammen sein zu können.
Wisting blieb noch eine Weile sitzen und trank seinen Kaffee aus. Dann stand er auf, nahm seine Jacke und ging hinaus.
51
Das braun gebeizte Haus in der Herman Wildenveys gate war still und leer. Wisting fuhr auf den gepflasterten Hof. Wie bei einer Schneeverwehung hatte sich das Herbstlaub als eine niedrige goldbraune Schicht vor der Hecke zum Nachbarhaus aufgehäuft.
Eine Weile blieb er hinter dem Lenkrad sitzen. Als Suzanne eingezogen war, hatte sie den von Ingrid hinterlassenen leeren Platz eingenommen. Wisting hatte es nicht sofort bemerkt, aber dass es da jemanden gab, zu dem er nach Hause kommen konnte, war etwas, das er sehr vermisst hatte. Gleichwohl hatte er ein wenig Angst davor verspürt, dass sie womöglich die Spuren tilgen könnte, die Ingrid in seinem Leben hinterlassen hatte, und sie daher etwas auf Abstand gehalten. Und vielleicht hatte Suzanne es ja genauso aufgefasst – dass sie nur ein Ersatz war.
Der Gedanke schmerzte ihn, aber es nützte nicht viel, sich nur eigene Vorstellungen darüber zu machen, wie die Dinge zusammenhingen. Er stieg aus dem Wagen und knallte die Tür hinter sich zu.
Es war ihm recht, dass Line noch nicht nach Hause gekommen war. Er schloss die Tür auf
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