Jagdhunde (German Edition)
Bewegung auf dem Monitor der Überwachungsanlage wahr und sah eine Gestalt durch den leeren Arrestbereich gehen, dann wechselte das Kamerabild zur Garage. Nils Hammer kam aus dem alten Zellenbereich. Es war eine Abkürzung, die von den Fahndern oft benutzt wurde, wenn sie Dienstschluss hatten und nach Hause fahren wollten. Er lief durch die Garage, blieb vor dem Mülleimer stehen, neben dem Wisting den Karton abgestellt hatte, und warf etwas hinein. Das Kamerabild wechselte abrupt und zeigte jetzt den leeren Eingangsbereich.
Wisting blieb stehen und wartete, bis alle Kameraeinstellungen im Haus einmal gezeigt worden waren und wieder das Bild der leeren Garage erschien. Der Mülleimer stand zu weit weg und das Bild war zu unscharf, um genau erkennen zu können, ob der Karton noch da war, aber es wirkte so.
Er wartete noch ein paar Minuten ab und betrat dann die Garage. Der Karton stand noch immer an seinem Platz. Wisting legte die Leihkarte zurück in das Handschuhfach des Zivilfahrzeugs, hob den Karton auf und zog an der Leine, mit der sich das Einfahrtstor öffnen ließ.
Noch während es sich hinter ihm wieder schloss, fiel ihm ein, dass er den Ball des Nachbarjungen vergessen hatte.
52
Die Uhr zeigte 01:53, als Wisting wieder zu Hause war. Durch das Mondlicht spiegelten sich die Äste der Bäume im Garten auf den Fensterscheiben wider. Suzannes Wagen stand ganz hinten in der Einfahrt, davor der Golf von Line, aber beide Frauen waren offenbar schon zu Bett gegangen.
Wisting stellte sein Auto ab und nahm den Karton mit den Dokumenten des Ellen-Falls mit ins Haus. Er war müde, wusste aber, dass er aufgrund all der kreisenden Gedanken in seinem Kopf ohnehin keinen Schlaf finden würde.
Im Haus war es still. Er hörte nur die bekannten, fast unmerklichen Geräusche, die ihm so vertraut waren, dass er sie kaum wahrnahm. Das Summen der Wärmepumpe, die tickende Küchenuhr, ein Rauschen in der Wasserleitung und den Kühlschrank, der in den Ruhemodus wechselte.
Er stellte den Karton auf den Küchentisch. Bevor er sich das Protokoll der Vernehmung von Jonas Ravneberg vornahm, blätterte er durch die anfänglichen Ermittlungsunterlagen, um seine Erinnerung aufzufrischen. Frank Robbek hatte seinerzeit die Polizei eingeschaltet. Als Onkel der Vermissten war er von seinem Bruder informiert worden, als die Eltern anfingen, sich Sorgen um Ellen zu machen. Am Tag ihres Verschwindens hatte sie lange geschlafen. Das war nichts Ungewöhnliches an einem Wochenende. Sie hatte noch im Bett gelegen, als ihre Eltern zu einem Waldspaziergang aufbrachen, doch als sie zurückkamen, war Ellen verschwunden.
Anscheinend war sie aufgestanden und ins Badezimmer gegangen. Auf dem Boden unter der Dusche war Wasser. Ihre Mutter hatte rekonstruiert, dass Ellen eine Jeans und ein gelbes T-Shirt ohne Muster angezogen haben musste. Es hatte so gewirkt, als hätte sie geplant, zu ihrem Onkel hinüberzugehen, wo sie ein Pferd im Stall stehen hatte, aber das Pferd war immer noch in seiner Box, ohne dass der Mist entfernt worden war.
Die Vernehmung von Jonas Ravneberg war verhältnismäßig kurz ausgefallen. Im Protokoll wurde in erster Linie darauf eingegangen, weshalb er zur Vernehmung einbestellt worden war. Ein Zeuge hatte in der Nähe von Ellen Robbeks Wohnort einen roten Saab 900 am Straßenrand beobachtet. Der Zeuge arbeitete als Verkäufer in der lokalen Niederlassung des schwedischen Autoherstellers und hatte einen Blick auf die Kennzeichenhalterung geworfen, um zu sehen, ob es sich um einen Wagen handelte, den er selbst verkauft hatte. Daher glaubte er, sich erinnern zu können, dass es sich um ein nicht ortsansässiges Fahrzeug mit der Buchstabenkombination ND am Beginn des Kennzeichens handelte. Als Fachmann glaubte er außerdem, es habe sich um einen Wagen des Baujahrs 1987 oder später gehandelt, weil das Modell in jenem Jahr einem Lifting unterzogen worden war und neue Stoßdämpfer sowie einen neuen Kühlergrill erhalten hatte. 1993 war die Produktion des Modells eingestellt worden. Die Polizei hatte vom Straßenverkehrsamt eine Liste erhalten, auf der alle Besitzer eines roten Saab 900 mit der Kennzeichenkombination ND aus den Baujahren 1987 bis 1993 verzeichnet waren. In ganz Norwegen waren dies nicht mehr als vierundsiebzig Personen. Jonas Ravneberg war einer der Autobesitzer, die in der Kommune wohnten, und einer der ersten, die vernommen wurden.
Jonas Ravneberg hatte ein Alibi. Er war mit einer Freundin in Schweden gewesen
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