Jagdhunde (German Edition)
um.
Wisting verstand zwar, was sie meinte, antwortete aber mit einem »Hm?«.
»Rudolf Haglund«, sagte sie. »Bist du tasächlich bereit, ihn zu treffen?«
»Ich glaube schon.«
»Wir sind auch bereit.«
Wisting nahm einen Schluck Kaffee. »Ihr wollt das also durchziehen?«
Line öffnete wieder den Kühlschrank und nahm Butter und ein Glas Erdbeermarmelade heraus. »Es ist zumindest einen Versuch wert«, meinte sie und stellte die Sachen auf den Tisch.
»Wie viele seid ihr denn?«
»Vier Autos.«
»Von der Zeitung?«
Wisting bemerkte ein leichtes Zucken an Lines linkem Auge.
»Zwei sind von der Zeitung«, erwiderte sie und wandte sich wieder dem Toaster zu.
»Und wer ist der Vierte?«
Die Brotscheiben schnellten aus dem Toaster. Line legte sie auf einen Teller und schob zwei weitere Scheiben in das Gerät.
»Ist Tommy etwa dabei?«, fragte er, als sie ihm den Teller zuschob.
»Ja.«
Wisting ließ es dabei bewenden. Er war froh gewesen, als das Verhältnis zwischen seiner Tochter und dem vorbestraften Dänen geendet hatte. Es gefiel ihm nicht, dass Tommy Kvanter noch immer ein Teil ihres Lebens war, er wollte aber nichts dazu sagen.
»Wo bist du eigentlich gestern gewesen?«, wollte Line wissen. »Du bist erst nach Suzanne und mir nach Hause gekommen.«
Wisting überlegte kurz, ob er vielleicht den Mund halten sollte. Wenn Line ihm allerdings helfen wollte, dann musste sie Zugang zu denselben Informationen haben wie er.
»Ich habe mir die Dokumente über den Ellen-Fall angesehen«, sagte er.
Line hörte auf zu kauen. »Die Nichte des Polizisten mit der Brille?«
Wisting nickte.
»Ich dachte, du hättest nicht länger Zugang zum Präsidium«, bemerkte sie.
»Jonas Ravneberg ist in Zusammenhang mit der Sache vernommen worden«, sagte Wisting und überhörte ihren Kommentar.
»Weswegen?«
»Er tauchte auf einer der Listen auf. Am Tag bevor Ellen verschwand, wurde ein roter Saab 900 in der Nähe beobachtet. Jonas Ravneberg hatte so einen Wagen.«
»Der steht noch immer auf seinem Hof«, antwortete Line und schluckte. »Aber das heißt ja, dass er da war, als sie verschwand.«
Wisting schüttelte energisch den Kopf. »Nein. Er war in Schweden.«
»Woher wissen wir das?«
»Seine Freundin hat es bestätigt.«
Lines Gesicht nahm einen skeptischen Zug an, während ihre Augen gleichzeitig aufleuchteten. »Hast du zufällig ihren Namen?«
»Maud Torell.«
Line wiederholte den Namen und dachte nach. »Ich finde, wir sollten unbedingt mit ihr sprechen«, meinte sie und stand auf.
Der Toaster spuckte die nächsten Brotscheiben aus.
Line ließ sie unberührt und ging in den Flur. Nach einem Augenblick kam sie mit ihrem Laptop zurück.
»Er hat mit ihr zusammengewohnt, bevor er nach Fredrikstad zog«, sagte sie. »Weißt du, wo sie jetzt lebt?«
Wisting schüttelte den Kopf und hörte, dass Line etwas in den Computer eingab.
»Maud Torell?«, wiederholte sie noch einmal. »Eigenartiger Name, aber ich finde ihn nicht.«
»Es ist ja nicht sicher, dass sie noch lebt.«
Line starrte ihn an.
»Oder sie ist verheiratet und hat einen anderen Namen angenommen.«
»Wir müssen sie finden«, sagte Line. »Er hat nicht viele Menschen in sein Leben gelassen. Sie hat ihm sehr nahegestanden. Vielleicht hat sie ja den Brief bekommen.«
»Den Brief?«
Line erzählte, dass Jonas Ravneberg, kurz bevor er ermordet wurde, zusammen mit seinem Hund neben einem Briefkasten beobachtet worden war.
»Es ist vielleicht ein Schuss ins Blaue, aber womöglich bringt es ja was«, schloss sie.
Wisting stand auf, ging zur Arbeitsplatte hinüber und holte sich eine Scheibe geröstetes Brot.
»Wann fährst du los?«, fragte Line.
Wisting schaute auf die Uhr. »In einer Stunde.«
55
Die Anwaltskanzlei Henden, Haller & Brenner lag diskret zurückgezogen in einem Wohnhaus mitten im Zentrum, unmittelbar hinter dem Stortorvet. Es gab kein protziges Schild an der Tür, sondern lediglich eine Klingel neben dem Namenszug.
Eine Frauenstimme antwortete, als Wisting klingelte. Er nannte seinen Namen und wollte sagen, mit wem er verabredet war, aber schon summte es im Türschloss.
Die Kanzlei lag in der dritten Etage. Hinter der Eingangstür kam eine Bürolandschaft zum Vorschein, die sich stark von dem heruntergekommenen Eindruck unterschied, den der Rest des Hauses machte. Dunkler Parkettboden, abstrakte Malereien an den Wänden und eine blonde Frau am Empfangstresen.
»Herr Wisting?«, fragte sie.
Er nickte.
»Ich werde
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