Jagdhunde (German Edition)
Schleife aufgehängt«, sagte er, um das Thema zu wechseln.
Suzanne erwiderte nichts. Blieb nur ganz still liegen. »Die Wohnung über dem Café ist frei«, sagte sie nach einer Weile. »Sie steht zum Verkauf.«
Ein unangenehmes Gefühl breitete sich langsam in Wisting aus, so als käme etwas Kaltes unter die Bettdecke gekrochen. Er überlegte kurz, sich aufzusetzen und die Nachttischlampe einzuschalten, um ihr in die Augen sehen zu können, ließ es aber sein.
»Was meinst du damit?«, fragte er.
»Das wäre doch praktisch«, erwiderte sie.
Wisting schluckte lautlos. Es fühlte sich an, als würde Suzanne den Einsatz erhöhen; wie ein Pokerspieler, der etwas Wertvolles auf den Spieltisch warf. Doch was sie miteinander verband, war alles andere als ein Spiel.
»Redest du von Auszug?«, fragte er.
»Ich bin doch ohnehin die ganze Zeit im Café. Und du bist meistens bei der Arbeit. Wir haben zwar dieselbe Adresse, aber eigentlich wohnen wir nicht zusammen.«
Das ist nicht gerecht, dachte Wisting. Dass sie jetzt damit ankommt.
Er hatte sich immer als selbstständigen Menschen begriffen, doch nach Ingrids Tod auch eine immer stärker werdende Besorgnis für die Menschen verspürt, die er liebte. Er fürchtete sich davor, diejenigen zu verlieren, die ihm nahestanden. Zweifellos hing dies auch mit all den Dingen zusammen, die er in seinem Beruf erlebte. Viel zu oft hatte er mitansehen müssen, wie Menschen von sinnlosen Verlusten getroffen wurden.
Er hatte sich nicht nur an Suzanne als Person gebunden, sondern sie sich auch als Lebensgefährtin ausgesucht. Dass dies nun enden sollte, bereitete ihm körperliches Unbehagen. Der Schweiß legte sich wie eine kalte Schicht auf seine Haut. Er wollte etwas sagen, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. Stattdessen strich er Suzanne über ihr schwarzes kräftiges Haar und versuchte, ruhig zu atmen.
»Ich brauche keine gelbe Schleife vor der Tür«, sagte er, wie um zu erklären, wer er war. »Ich muss handeln. Versuchen, etwas zu unternehmen. Das ist eben meine Art, mit den Dingen umzugehen.«
Suzanne drehte ihm den Kopf zu. »Ich wünschte, ich würde dich weniger brauchen«, konstatierte sie mit fester Stimme. »Aber wir sind nun mal beide, wie wir sind.«
Lange lagen sie da, ohne etwas zu sagen, und schliefen schließlich ein. Suzanne hatte ihren Kopf zur Wand gedreht, Wisting lag auf dem Rücken. Reglos.
Er war sich keiner Schuld bewusst.
54
Die Morgendämmerung erhellte den Raum, als Wisting erwachte. Er drehte sich zu Suzanne, die neben ihm noch immer tief schlief. Ihre entspannten Gesichtsmuskeln ließen sie noch hübscher wirken. Ihre Wimpern ruhten auf den Wangen und die Alltagsfalten waren verschwunden. Sie strahlte einen Frieden und eine Ruhe aus, wie es nur im Schlafzustand möglich war und nicht, wenn sie ihn direkt anblickte.
Ein Muskel unter dem Auge zuckte leicht und ihr Mund formte sich zu einem schwachen Lächeln, doch an ihrem Atem konnte er hören, dass sie noch schlief. Wisting stützte sich auf die Ellbogen und fragte sich, was sie wohl gerade träumte. Dann schob er vorsichtig die Bettdecke beiseite und stand auf.
Aus der Küche im Untergeschoss hörte er Geräusche. Der aromatische Duft von frisch gebrühtem Kaffee umfing ihn auf der Treppe. Line drehte sich um, als er hereinkam.
»Hast du sie gereinigt?«, fragte sie.
Wisting band den Gürtel seines Morgenmantels fester zusammen und schüttelte den Kopf.
»Die Kaffeemaschine war ein Weihnachtsgeschenk«, erinnerte sie ihn und reichte ihm eine Tasse Kaffee. »Du solltest sie zwei Mal im Jahr reinigen.«
Er lächelte sie an und setzte sich an den Küchentisch, während Line sich selbst eine Tasse einschenkte. Wisting hatte aufgeräumt und den Karton mit den Dokumenten über den Ellen-Fall in den Wagen gestellt, bevor er in der Nacht ins Bett gegangen war.
Eine Wolkenbank war vom Meer herangetrieben und hatte Stavern im Laufe der Nacht erreicht. Der Himmel war grau, aber es regnete nicht.
Line öffnete den Kühlschrank. »Ihr habt ja kaum was da«, sagte sie und schloss ihn wieder.
Wisting deutete auf einen der Schränke. »Da gibt’s bestimmt Knäckebrot oder so was«, sagte er.
Line öffnete den Schrank und schaute in die Fächer. Im Brotkasten fand sie ein halbes Weißbrot, das bereits fertig aufgeschnitten war. Sie nahm zwei Scheiben aus der Plastiktüte und legte sie in den Toaster.
»Bist du darauf vorbereitet, ihm wiederzubegegnen?«, fragte sie und drehte sich zu ihm
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