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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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allein.
    »Du bist früh dran«, sagte Vern zur Begrüßung und streckte Joe die Hand entgegen. »Joe Pickett, das ist Aimee Kensinger.« Joe nahm sie nur schattenhaft wahr. Seine Augen hatten sich noch nicht an das dunkle Lokal gewöhnt.
    Er nahm den Hut ab. »Wir sind uns schon begegnet.«
    »Hab ich dir doch gesagt«, meinte Aimee zu Vern.
    Der lachte und lud Joe mit einer Handbewegung ein, sich ihm gegenüber in die Nische zu setzen.
    »Du trinkst doch ein Bier mit?« Das war eher eine Feststellung als eine Frage. »Aimee ist schon auf dem Sprung.«
    »Ach - das hatte ich ja ganz vergessen«, sagte Aimee sarkastisch. Joe mochte ihre Stimme. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, sah er, dass sie einen schwarzen, flauschigen Pullover trug. Und eine schmale, goldene Halskette. Sie lächelte ihm zu. »Man sieht sich, Joe Pickett.«
    Vern stand auf und ließ sie aus der Nische. Beim Abgang wuschelte sie Joe durchs Haar, und das machte ihn verlegen. Schöne Frau - keine Frage. Vern folgte ihr bis zur Theke und kam mit einem Tablett zurück - vier Bourbon und vier Bier.

    »Happy Hour«, meinte er. »Alles für die Hälfte.« Er kippte einen Schnaps und lud mit Bier nach. »Siehst prima aus, Joe. Wie geht’s der Schusswunde?«
    »Heilt gut.« Joe nahm einen langen Zug. Kühles Bier - feine Sache. Das Bild Aimee Kensingers spukte weiter neben Vern herum.
    »Sie mag mich immer noch.« Vern lächelte. »Obwohl ich keine Uniform mehr trage.«
    Er jagte sich noch einen Bourbon durch die Kehle. »Dich mag sie auch.« Vern wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen. Joe schwieg. Er hatte keine Lust auf dieses Thema.
    Joe versuchte zu schätzen, wie viel Vern wohl getrunken haben mochte. Seinem hochroten Gesicht nach waren das heute Nachmittag sicher nicht die ersten Schnäpse. Vern war immer ein starker Trinker gewesen, und als Joe noch bei ihm gearbeitet hatte, hatte Vern fast jeden Abend vorgeschlagen, noch auf ein, zwei Gläser in die Kneipe zu gehen. Aber seit Vern nach Saddlestring zurückgekommen war, hatte Joe ihn noch nicht ohne Bourbon in Reichweite gesehen.
    »Hast du ein bisschen über das nachgedacht, worüber wir geredet haben?«
    Joe nickte.
    »Und?«
    »Ich muss das mit Marybeth besprechen. Dazu hatten wir bis jetzt wirklich keine Gelegenheit.«
    Vern behielt Joes Augen ständig im Blick. »Sie ist eine kluge Frau. Die lenkt dich schon in die richtige Richtung. Soll ich mal mit ihr reden?«
    »Nicht nötig.« Joe verspürte einen Anflug von Ärger auf seinen früheren Chef. Vern dachte offensichtlich, er
könne Marybeth dazu bringen, Joe einzureden, den neuen Job anzunehmen. Vern meinte, er könne jedem alles einreden. Und das konnte er normalerweise auch. Er war hochintelligent und vermochte Menschen leicht zu überzeugen. Und zu überreden. Aber aus einem Grund, den Joe nicht klar ausdrücken konnte, sträubte er sich unwillkürlich gegen Verns Jobangebot.
    »Eins weiß ich«, sagte Joe und nahm einen Schluck Bier. »Bevor diese Morde an den Ausrüstern nicht völlig aufgeklärt sind, treff ich keine wichtigen Entscheidungen.«
    Vern saß ganz still da und schaute ihn ungläubig an.
    »Was gibt’s denn da aufzuklären, Joe?«, fragte er mit leiser, fester Stimme. »Clyde Lidgard hat drei verkommene Ausrüster aus der Gegend erschossen, und ihr habt ihn umgelegt - Fall erledigt.«
    »Es gibt zu viele offene Fragen«, sagte Joe schnell. »Warum hat Lidgard das getan? Warum war er da oben? Warum ist er im Jagdlager geblieben, wenn er’s getan hat? Warum ist Ote Keeley zu meinem Haus geritten? Was war in der Kühlbox? Mir gehen eine Menge Fragen im Kopf herum, die beantwortet werden müssen.«
    Vern saß mit vollkommen verächtlicher Miene reglos da und sah Joe durchdringend an. Der spürte zwar, wie seine Entschlossenheit bröckelte, hielt Verns Blick aber stand und zuckte mit keiner Wimper. Er wappnete sich innerlich gegen Vern und war entschlossen, sich die Fortsetzung der Untersuchung nicht von ihm ausreden zu lassen.
    »Joe.« Verns Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Lass uns mal ein bisschen darüber reden, wie’s in dieser Scheißwelt wirklich zugeht.« Vern zischte die letzten drei
Worte mit einer Heftigkeit hervor, auf die Joe nicht gefasst gewesen war und die ihn entmutigte.
    »Auf deine vielen Fragen hab ich keine Antwort. Und sie sind mir offen gesagt wurscht«, fauchte Vern. »Mord ist eine dreckige Sache. Wenn der Täter erschossen wird, bevor er gestehen kann, gibt’s

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