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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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Pickett - Musterknabe und Paradejagdaufseher - den Verdacht hat, dass vielleicht irgendeine seltene Sache in den Bergen rumläuft.

    Die Hälfte der Einwohner hier würde dich bis aufs Blut hassen«, sagte Vern. »Nicht wenige würden ihre Arbeit verlieren. Deine süßen kleinen Töchterlein müssten in der Schule den allerschlimmsten Mist ertragen. Sie würden das meiste abkriegen, Joe, und du allein wärst daran schuld.«
    Unwillkürlich brach Joe den Blickkontakt zu Vern ab und sah auf die Tischplatte. InterWest Resources und ihrer Gasleitung ginge es dann auch nicht besonders gut, dachte er.
    Vern fuhr fort. »Es wär vielleicht anders, wenn die Artenschutzgesetze biologisch irgendwie sinnvoll und nicht nur psychologische Spielchen der Politik wären. Aber das ist nicht so. Hör mal.«
    Vern machte weiter und erzählte, über neunhundertfünfzig Pflanzen und Tiere seien in die Liste der gefährdeten oder in die der bedrohten Arten aufgenommen worden und weitere viertausend stünden auf der Warteliste. Und zwanzig Jahre nach Einführung dieser Verzeichnisse und nachdem Milliarden in den Naturschutz gesteckt worden seien, seien nur knapp dreißig dieser Arten nicht mehr als gefährdet eingestuft. Die Gesetze seien scheinheilig, denn Tieren, die als »süß« gelten würden (zum Beispiel Wölfen und Grizzlybären), erginge es besser als denen, die den Menschen hässlich erschienen - da werde einfach keine plausible wissenschaftliche Grundlage angewandt. Er habe sich mal die Zahlen angeschaut und ausgerechnet, dass fast zweihundert Millionen Dollar für Weißkopfseeadler, Helmspechte, Grizzlybären, Manatis oder karibische Rundschwanzseekühe, Florida-Buschhäher und Schreikraniche ausgegeben worden seien. Dann dozierte Vern in vagen und globalen Begriffen und
stellte fest, mindestens neunundneunzig Prozent aller Arten, die je auf der Erde gelebt hätten, seien auf natürlichem Wege ausgestorben, ohne »Einmischung« des Menschen. Schon seit der Urzeit stürben Tiere massenhaft aus. Das östliche Fuchshörnchen und irgendwelche halbblinden Höhlenfische würden doch von nichts und niemandem vermisst.
    »Tiere sterben nun mal, Joe«, sagte Vern. »Und Arten gehen übern Jordan. Das war schon so, bevor der erste Fisch an Land gekrochen ist und Lungen ausgebildet hat. Und es wird so bleiben. Mit welchem Recht nehmen wir uns die Überheblichkeit heraus, bestimmen zu wollen, was leben darf und was sterben muss? Wenn’s um die materielle Welt und die Naturgeschichte geht, sind wir nicht so allmächtig, wie wir gern glauben. Alle Atombomben auf der Welt haben nur ein Zehntausendstel der Zerstörungskraft des Asteroiden, der auf der Erde einschlug und die Dinosaurier tötete. Was Menschen tun können, um den Planeten zu verändern, ist kläglich. Wir machen uns was vor, wenn wir meinen, wir seien so superklug, dass wir eine Art retten oder erschaffen können. Woher wissen wir denn, dass wir nicht durch die Rettung irgendeines kleinen Piepmatzes verhindern, dass sich ein neuer, besserer Piepmatz entwickelt? Was glauben wir denn, wer wir sind?«, fragte Vern. »Wer zum Teufel sind wir denn, dass wir es mit Gott aufnehmen wollen?«
    Joe lehnte sich zurück. Er war ganz benommen.
    Vern bemerkte Joes Reaktion und kippte im offensichtlichen Glauben, er habe ihn überzeugt, den letzten Bourbon. Dann lächelte er.
    »Da wir gerade von Gott reden - hast du mal vom Dezernat Gott gehört?«

    Joe schüttelte den Kopf.
    »Das gibt’s wirklich. Ich hab mir das nicht ausgedacht. Es besteht aus dem Innenminister, dem Verteidigungsund dem Landwirtschaftsminister und ein paar anderen Jungs. Wenn’s uns mal wirklich an die Eier geht, müssen diese Leute entscheiden, welche Arten im nationalen Interesse leben oder sterben sollen. Kannst du dir diese unglaubliche Überheblichkeit vorstellen?«
    Joe und Vern tranken schweigend ihr Bier aus. Als Joe aufstand und gehen wollte, hielt Vern ihn am Arm fest. Sie sahen einander in die Augen.
    »Das Angebot liegt auf dem Tisch, Joe. Aber es ist befristet, und die Uhr hat schon angefangen zu ticken. Wenn du es nicht nutzt, machst du einen Fehler.«
    Joe war sich nicht sicher, ob das ein Rat oder eine Drohung war.
    »Ich sag dir Bescheid, Vern«, sagte er. »Sieht aus, als müsste ich jede Menge Dinge entscheiden.«
    »Du wirst schon das Richtige tun.« Vern tätschelte Joe die Hand. »Du bist ein anständiger Kerl, Joe, du wirst schon das Richtige tun.«

14
    Die Mädchen nannten das größte Tier -

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