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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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mehr, und es kam schließlich auch mehr.
    »Wär wohl für alle am besten, wenn man nie was finden würde.« Dabei sah Hans Joe an. »Ich schätze, wir könnten in dieser Gegend nie mehr jagen, wenn jemand dächte, hier draußen gäb’s gefährdete Tiere.«
    »Verdammt richtig«, sagte Jack.
    »Warum haben Sie damit angefangen?«, fragte Joe. »Wissen Sie irgendwas?«
    »Einfach so«, meinte Jack.
    »Ich wollt Sie nur auf den Arm nehmen«, ergänzte Hans.
    »Wenn Sie was wissen, müssen Sie’s melden.« Joe sah beiden ins Gesicht. Schwer einzuschätzen, ob er hier zum Narren gehalten wurde oder nicht.
    »Würden wir natürlich tun«, versicherte Jack. »Keine Frage.«
    »Keine Frage«, wiederholte Hans.
    Ganz schön merkwürdig, dachte Joe.
    Als Jack und Hans mit dem Pronghorn fertig waren und auch den Pick-up mit dem Schlauch abgespritzt hatten, boten sie Joe ein kaltes Bier aus der Kühlbox an. Er lehnte dankend ab und wünschte ihnen noch eine erfolgreiche Jagd. Aber auch wenn Hans und Jack ihr zweites
Pronghorn heute nicht erwischen würden - irgendwann würden sie es erlegen. Also würde Joe ihren Pick-up Tag für Tag in dieser Gegend sehen, bis sie es endlich zur Strecke gebracht hätten. Hans und Jack hatten diese Rentnergeduld und waren beide als gute Jäger und Köche bekannt.
    Joe störte sich nicht an der Jagd zur Selbstversorgung. Denn verglichen damit, in Frischhaltefolie verpacktes Fleisch im Supermarkt zu kaufen, war Jagen im Grunde ehrlicher. Die Leute, die die Jagd prinzipiell ablehnten, dabei aber munter Cheeseburger aßen, hatte er nie verstanden. Seiner Meinung nach war es wichtig, dass den Menschen klar wurde, dass Tiere starben, damit sie das Fleisch essen konnten. Sich an ein Tier anzupirschen, es zu töten, auszunehmen, zu zerlegen und schließlich zu essen - dieser ganze Prozess war für Joe viel einfacher und leichter zu verstehen, als eine Kuh von einem den Vorschlaghammer schwingenden Arbeiter in einer Fleischwarenfabrik töten zu lassen und das Ergebnis dieser Bluttat schließlich als kleines Päckchen in den Einkaufswagen zu legen. Joe schätzte Menschen wie Hans und Jack.
    Für die beiden war die Jagd aus Gründen der Selbstversorgung noch Teil ihres Lebens, nicht eigentlich ein Sport. Hast du schon dein Wapiti erwischt? - diese Begrüßung war in den Kleinstädten im Gebirge so verbreitet wie ein Hallo, und Gesundheit und Größe der Hochwildrudel waren von allgemeinem Interesse und Gegenstand vieler Debatten.
    Joe dachte sich, deshalb seien die Morde im Jagdlager das Stadtgespräch. Mit der Tötung der drei Ausrüster war der Albtraum aller Jäger wahr geworden - dass da draußen einer auf sie Jagd machen könnte. Von einer solchen
Geschichte hatte noch nie jemand gehört. Klar, es wurde immer mal wieder versehentlich auf einen Jäger geschossen, und es kam manchmal zu Faustkämpfen und Drohungen - all das, was eben unvermeidlich ist, wenn Männer (es gibt kaum Frauen in den Jagdlagern) sich ein, zwei Wochen Urlaub nehmen und zusammen in den Bergen jagen gehen. Aber trotz der vielen Waffen und des in Strömen fließenden Alkohols waren vorsätzliche Tötungen während der Jagdsaison für die Menschen von Saddlestring unfassbar.
    Und je länger Joe darüber nachdachte, desto mehr begriff er, dass er selbst es war, für den die Morde unfassbar waren.
     
    Zufrieden mit dem Tag und seiner Arbeit, kämpfte Joe sich langsam durch die Breaklands zur befestigten Straße durch, um wieder in die Stadt zu fahren. Vern Dunnegan hatte ihn am frühen Morgen vor dem Begräbnis angerufen und wollte sich um fünf mit ihm in der Stockman Bar treffen. Wenn alles so ablief wie früher, saß Vern in der letzten Nische rechts, hinterm Billardtisch. In seiner Nische.

13
    Die Stockman Bar war eine dunkle Kneipe, wo man unter den verstaubten Köpfen kapitaler Böcke, die in dieser Gegend geschossen worden waren, Schnaps und Bier trinken konnte. Die Wände des Lokals waren mit Schwarz-Weiß-Fotos einheimischer Rodeokämpfer der 40er und
50er Jahre gepflastert. Egal an welchem Wochentag, egal zu welcher Stunde - der Laden schien immer gleich stark besucht. Joe ging an gut zehn Leuten vorbei, die an der Theke saßen, und hielt auf den Billardtisch im hinteren Teil der Kneipe zu. Dort hing eine Lampe von der Decke, deren Schirm für ein Bier warb. Und im Schein dieser Lampe leuchtete nicht nur der grüne Filz des Billardtischs, sondern auch Verns rotes Profil. Er saß in seiner Nische - und er saß dort nicht

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