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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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lächelte ihn an. Auch Missy lächelte und betrachtete ihn fast ein wenig scheu und ehrfürchtig. So hatte sie ihn noch nie angeschaut. Keine der beiden hatte vor, ihn nach dem Jobangebot zu fragen. Oder danach, was er darüber denke. Noch nicht. Sie versuchten, seine Stimmung einzuschätzen.
    Lucy kam auf allen vieren in die Küche gekrabbelt und erhob sich am Tisch mit offenem Mund auf die Hinterbeine. Missy nahm eine Waffel, brach ein Stück ab und fütterte sie damit. Joe vermutete, das ging schon den ganzen Morgen über so.
    »Da hast du deinen Leckerbissen, mein Hündchen«, sagte Missy.
    »Bin kein Hündchen«, rief Lucy über die Schulter, als sie wieder ins Wohnzimmer zu ihrer Schwester zischte.

    »Ich weiß ja nicht, was dahintersteckt, aber die Mädchen sind gerade wahre Engel«, sagte Marybeth zu Joe. »Vielleicht weckt ihre Großmutter ihre beste Seite.«
    Joe lachte, und Missy schoss Marybeth einen Blick zu.
    Im Büro klingelte das Telefon, und Joe entschuldigte sich.
    Schweigen am anderen Ende, nachdem er den Hörer abgenommen und seinen Namen genannt hatte. In der Leitung rauschte es kaum wahrnehmbar. Also ein Ferngespräch.
    »Sie kennen mich nicht.« Eine Frauenstimme. »Ich arbeite in der Zentrale in Cheyenne.« Sie klang fest, aber nervös. Und sie war kaum zu verstehen.
    Joe griff blind hinter sich und schloss die Bürotür. Jetzt war es still im Zimmer. Er setzte sich an den Schreibtisch.
    »Sie haben heute wegen eines Päckchens angerufen«, sagte die Frau. »Ich hab gesehen, dass es Dienstag gekommen und zur Untersuchung in die zoologische Abteilung gegangen ist. Dann ist es verschwunden.«
    »Was meinen Sie mit ›verschwunden‹?«, fragte Joe.
    »Es ist verschwunden.«
    Joe dachte nach und schwieg. Die Frau wiederholte, es sei verschwunden. Sie sprach abgehackt, und Joe spürte, dass sie vorsichtig sprach, als ob jeden Moment jemand reinplatzen könnte.
    »Wer sind Sie?«, fragte er.
    »Egal. Ich hab zwei Kinder, und mein Mann ist arbeitslos. Ich bin im öffentlichen Dienst, mit Zulagen. Ich brauch diesen Job.«
    »Ich hab auch zwei Kinder. Und demnächst kommt noch eins.«
    »Dann lassen Sie das mit dem Päckchen am besten auf
sich beruhen«, sagte die Frau scharf. Sie wollte offenbar keine Gemeinsamkeiten herstellen. »Lassen Sie’s einfach, und kümmern Sie sich um Ihre Angelegenheiten.«
    Joe runzelte die Stirn. Jetzt bekam er diesen Rat schon zum zweiten Mal. Während sie redete, öffnete er die Schreibtischschublade. Der andere Umschlag mit Kotkügelchen lag noch an seinem Platz.
    Sie zögerte kurz und fuhr dann fort. »Lassen Sie’s mich so sagen: Alles, was Sie uns schicken, wird verlorengehen.«
    »Warum tun Sie das eigentlich?«
    Durchs Telefon spürte Joe einen Anflug von Verzweiflung. »Keine Ahnung. Ich musste einfach. Und jetzt muss ich los.«
    »Danke«, sagte Joe, doch sie hatte schon aufgelegt.
    Er dachte darüber nach, was er tun sollte. Den Hörer noch in der Hand, suchte er den Schreibtisch durch, bis er sein altes Adressbuch fand. Dann rief er seinen Freund Dave Avery an. Die beiden hatten zusammen studiert. Dave arbeitete jetzt als Zoologe in der Jagd- und Fischereibehörde von Montana in Helena. Nachdem sie einander auf den neuesten Stand gebracht hatten (Dave war geschieden und wieder verlobt), fragte Joe, ob er ihm eine Kotprobe für eine unabhängige Analyse schicken könne.
    »Wo hast du sie gefunden?«
    »Bei mir hinterm Haus.«
    »Und meine Kollegen in Wyoming können sich nicht entscheiden, von welchem Tier sie ist?«
    »Das ist ziemlich umstritten«, wich Joe aus. Er wollte die Geschichte mit dem verlorenen Päckchen nicht vom Stapel lassen. Das musste ja nicht sein.
    »Hört sich an, als wolltest du mich rausfordern.«

    »Stimmt.« Joe zwang sich ein Lachen ab. Dave war einverstanden, sich das Material anzusehen und Probe und Ergebnisse vertraulich zu behandeln.
    Joe lehnte sich im Drehstuhl zurück. Er dachte über das nach, was ihm die Frau aus dem Labor gesagt hatte. Er fragte sich, wie er wohl herausfinden könne, wer sie war. Und ob er das überhaupt tun sollte. Er glaubte, dass sie ihm über die verschwundene Probe die Wahrheit gesagt hatte, und wünschte zugleich, sie hätte das nicht getan. Denn die Dinge waren plötzlich sehr viel komplizierter geworden.

16
    Die Reifen machten ein brutzelndes Geräusch, als Joe mit dem Pick-up durch die nassen Straßen Saddlestrings zum Büro des Sheriffs fuhr. Es regnete noch immer, und fast niemand war

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