Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
eisiger Wind wehte aus dem Tal in die Berge. Bis zum Horizont war der Himmel rundum überwiegend klar, aber später mochte sich wieder einiges zusammenbrauen. Lange, dünne Wolken zogen in großer Ferne über die flache Prärie. Sie sahen aus wie rote Stichwunden, die in immer röter werdendes Fleisch geschlagen waren.

28
    »Haben wir in letzter Zeit nicht tolle Sonnenuntergänge, Süße?«, fragte Marybeth.
    »Mhm«, meinte Sheridan nur. Sie hatte andere Dinge im Kopf.
    Marybeth hatte ihre Tochter auf dem Weg zum Haus in der Bighorn Road gefragt, was eigentlich los sei. Sie seien hier im Auto doch nur zu zweit. Allmählich mache
sie sich etwas Sorgen um ihr großes Mädchen. Ihr liege doch etwas auf der Seele, und sie solle endlich davon erzählen. Sie sehe auch so müde aus.
    »Mir geht’s gut, Mom«, sagte Sheridan. Ihr Rucksack lag vor ihr auf dem Boden. Den habe sie für die Bücher mitgenommen, hatte sie erklärt. Tatsächlich aber war eine ganze Tüte voller Essensreste drin.
    »Hast du was von dem Gespräch mitgehört, das Dad und ich gestern Abend hatten?«
    Sheridan schüttelte den Kopf, und Marybeth schien darüber erleichtert. Sheridan war froh, dass es schon fast dunkel war, denn irgendwie konnte Mom in ihrem Gesicht lesen. Und manchmal sogar ihre Gedanken. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ihrer Mutter nichts von den Tieren und dem Mann erzählte. Mom war wunderbar und sehr klug, hin und wieder aber auch streng. Manchmal konnte Sheridan gar nicht fassen, wie wunderbar Mom war, vor allem, wenn sie einige Zeit mit Oma Missy verbracht hatte. Gelegentlich schien Mom die einzige Erwachsene zu sein, und Oma Missy, Lucy und Sheridan die Kinder. Aber Mom konnte sich natürlich auch Sorgen machen. Und sie würde sich bestimmt mächtig viele machen, wenn sie wüsste, was Sheridan wusste. Und Sorgen waren für eine Hochschwangere nicht gut. Das stand für Sheridan fest.
    »Du kannst mir alles erzählen, was dich bedrückt - sei dir da ganz sicher.« Marybeth ließ einfach nicht locker.
    Sheridan hatte einen Teil ihres Problems gelöst. Wenn sie ankämen, würde sie ins Kinderzimmer gehen und ein paar ihrer eigenen Bücher in den Rucksack packen. Unwahrscheinlich, dass Mom die sehen wollte, um zu prüfen, ob sie aus der Schulbibliothek waren. Die härtere
Nuss aber war, einen Grund zu finden, allein nach draußen zu gehen. Sheridan hatte eine kleine Taschenlampe im Rucksack, um unter die Garage zu leuchten. Sie hoffte, die Tiere dort zu sehen. Und dass sie wohlauf waren.
    »Ich glaub, ich mag das Haus einfach nicht, in dem wir jetzt wohnen«, sagte Sheridan. »Da ist mir alles zu schick. Und wie bei fremden Leuten.«
    »Das hab ich mir schon gedacht«, sagte Mom. »Aber wir wohnen ja auch bei Fremden. Reiche Leute wie deine Oma tun das ständig, doch für dich ist es natürlich neu. Aber findest du es nicht nett, eine Zeit lang ein eigenes, großes Zimmer zu haben? Und einen Fernseher mit x Programmen? Und was ist mit dem tollen Kamin? Und den vielen Büchern?«
    »Das ist schon ganz in Ordnung«, gab Sheridan zu. »Aber unser Haus gefällt mir trotzdem besser.«
    »Manchmal tut Abwechslung ganz gut«, sagte Marybeth.
    »Meistens tut sie gar nicht gut«, gab Sheridan düster zurück.
    Ihre Mutter lachte. »Manchmal übertreibst du wirklich etwas, Süße.«
    Das Auto wurde langsamer, und Marybeth bog in die
    Einfahrt ein.
    »Noch alles da«, sagte sie.
    Sheridan sah durch die Windschutzscheibe. Das Haus wirkte sehr dunkel. Es sah aus, als stände Dads Pick-up an seinem Stammplatz. Aber es war nicht sein Pick-up.
    »Wacey ist wohl mit Dad unterwegs und hat seinen Wagen hiergelassen, als sie die Pferde geholt haben«, meinte Mom. »Mir war gar nicht klar, dass er mitreitet.« Sie machte den Motor aus.

    »Wie dem auch sei - bringen wir’s schnell hinter uns«, fuhr sie fort. »Oma macht Lasagne, und die wollen wir nicht verpassen.«
    Missy war irgendwann zu dem Schluss gekommen, die ganze Familie sei von ihrer Lasagne begeistert. Dass nie jemand seinen Teller leeraß, hatte diese Überzeugung nicht erschüttern können. Tatsächlich aber gab es nur einen Menschen, der Oma Missys Lasagne mochte, und das war Oma Missy.
    Sheridan stand hinter ihrer Mutter, als die den Hausschlüssel aus der Tasche kramte, die Tür aufschloss und reinging. Marybeth wollte schon auf den Lichtschalter drücken, hielt aber im letzten Moment inne. Sheridan lief voll auf sie auf.
    Ihre Mutter bewegte sich nicht.
    »Was

Weitere Kostenlose Bücher