Jagdopfer
zum Talgrund abfiel. Das Eigenartige an diesem dicht mit trockenen, hohen Gräsern bestandenen Gelände war seine Leblosigkeit. Es gab keine Vögel, und nichts huschte durchs Gras. Hier war alles tot, und Joe wollte wissen, warum.
Er sah die Erdhaufen und zählte sechsundzwanzig. Zu jedem gehörte ein Schlupfloch, das mal von Spinnweben bedeckt, mal von hineingewehten Blättern blockiert war.
Als Joe von Haufen zu Haufen ging, fand er, was er vermutet hatte - leere Patronenhülsen. Er beugte sich über ein ausgedörrtes Wapitiviertel, das fast nur noch aus Haut und Knochen bestand. Das Gift, mit dem der Köder präpariert war, sah Joe dennoch sofort. Und er roch es - Compound 1080, eine Substanz, die diejenigen gern verwenden, die es mit dem Töten von Raubtieren besonders ernst nehmen.
Dann fand Joe einige Patronen, die mit Draht an einem toten Kaninchen befestigt waren. Diese schon lange verbotenen Vorrichtungen sprühten Blausäuresalz in die Mäuler der Tiere, die an ihnen zerrten. Das Zyanid, das mit Speichel reagierte, tötete innerhalb von Sekunden. Und die Patronen waren leer.
Betäubt und benebelt sammelte Joe so viel Beweismaterial, wie er konnte. Er nahm seinen Fotoapparat aus der Satteltasche und verschoss mehrere Filme. Ihm war klar, dass viele seiner Bilder nicht besser wären als die von Clyde Lidgard. Dann fand er ein Häufchen winziger Knochen in der mulligen Erde eines Hügels und füllte es in einen Plastikbeutel. Die Patronenhülsen tat er je nach Kaliber in weitere Beutel. Schließlich setzte er sich auf den Stamm eines umgestürzten Baums und starrte einfach den Hang hinab. Er versuchte sich vorzustellen, wie es ausgesehen hatte, als hier die letzte Miller-Wiesel-Kolonie auf Erden herumwimmelte.
Kurz vor Einbruch der Abenddämmerung kam Joe im Trab wieder am Jagdlager vorbei und ritt weiter den Berg hinab. Der lange Rückweg durch die Schlucht war fast wie im Traum geschehen. Das Pferd schien gespürt zu haben, dass er sehr beunruhigt war, und hatte sich diesmal
problemlos führen lassen. Außerdem wusste Lizzie, dass es nach Hause ging. In Joes Kopf rasten die Gedanken, und er war von seiner Entdeckung und dem Schlafmangel ganz zittrig. Ein paar Mal griff er in seine Satteltaschen, um sich zu überzeugen, dass er die Beweise tatsächlich gesammelt hatte, die er gesammelt zu haben glaubte. Das Becken schien schon sehr weit weg.
Joe dachte über die Tragweite seiner Entdeckung nach. Sie war gewaltig. Da oben waren schreckliche Dinge geschehen - unmittelbar vor seiner Nase, in seinem Bezirk und während seiner Amtszeit. Und natürlich gab es jetzt ein Komplott. Er bezweifelte aber, dass es von Anfang an bestanden hatte, und vermutete, dass eine ganze Reihe Zwischenfälle und Fehler geschehen waren, die sich rasch zu etwas Großem und Furchtbarem entwickelt hatten. Er wusste noch nicht, wie alles zusammenhing, und war sich nicht sicher, ob er das überhaupt herausfinden konnte. Doch er wusste, dass er jetzt mittendrin steckte. Aber wo drin? Er fragte sich, wer wohl auftauchen würde, wenn sich das rumsprach.
Er dachte wieder an den Ort des Massakers, vor dem ihn ekelte und der ihn deprimierte. Die Gründlichkeit der Täter erstaunte ihn. Sie hatten mit den Miller-Wieseln angefangen und mit der Ermordung der Ausrüster weitergemacht. Diese Steigerung deutete darauf hin, dass sie vielleicht noch nicht fertig waren.
Joe führte Lizzie in den Anhänger und lud Sattel und Zaumzeug auf die Ladefläche des Pick-ups. Er teilte sich das restliche Wasser mit seinem Pferd, stieg dann steifbeinig ins Führerhaus und ließ den Motor an.
Als er aus dem Wald kam, öffnete sich unter ihm das Tal des Twelve Sleep Rivers. In der Ferne leuchteten die
Lichter von Saddlestring. Als hätte jemand in der Prärie eine Schachtel Juwelen fallen lassen. Direkt unter ihm war der Campingplatz mit den funkelnden gelben Laternen und Propangaslampen der Jäger. Und dazwischen - kilometerweit entfernt und in den Gebirgsausläufern verborgen - lag sein Haus an der Bighorn Road.
Meine Güte, war er sauer! Er war wütend über seine eigene Lage und auf die Leute, die sie ihm eingebrockt hatten. Und zornig über das Massaker. Darüber, dass eine Tierart vollständig und vorsätzlich ausgerottet worden war. In seiner Studienzeit und in all den Klatschgeschichten, von denen er über die Jahre erfahren hatte, hatte er noch nie von einer derartigen Barbarei gehört.
Jetzt war es fast ganz dunkel, und es wurde kälter. Ein
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