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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ersatzschlüssel für Zimmer 238, und er schnappte sich einen davon.
    Joe musterte die kleine Pförtnerloge, während er ungeduldig darauf wartete, dass der Nachtportier ohne Paket zurückkam. Dabei fiel ihm ein Plastikschild unter der Uhr an der Wand auf, das die Gäste darüber unterrichtete, sie könnten mit ihrem Zimmerschlüssel auch die Hintertür des Hotels öffnen. Schließlich tauchte der Mann wieder auf und bedauerte, er habe nichts gefunden. Joe wünschte eine gute Nacht. Kaum draußen, sprang er in seinen Pick-up, fuhr ums Hotel herum zum Seitenflügel und parkte neben der Eingangstür. Mit dem Schlüssel kam er ins Gebäude, lief die Treppen hoch und nahm bei jedem Schritt zwei Stufen.
    Zweihundertvierunddreißig. Sechsunddreißig. Achtunddreißig! Niemand auf dem Korridor. Joe entfernte den Klettverschluss vom Hahn seines Revolvers und drehte den Zimmerschlüssel im Schloss. Er trat ein und machte die Tür hinter sich zu. Kein Licht.
    Joe stand einen Augenblick reglos da und wartete, bis
er allmählich die Umrisse der Gegenstände rundum erkennen konnte. Es war eine Suite mit Theke und Barhockern. Auf dem dunklen Sofa lag ein Kleiderhaufen. An den Wänden hingen Drucke mit Szenen aus dem Cowboyleben. Die Mattscheibe des Fernsehers war enorm. Zwei weitere Türen führten vermutlich ins Bad und ins Schlafzimmer. Jemand hustete, und Joe wandte sich zur linken Tür, ging über den Teppich und öffnete sie behutsam.
    Es stank nach abgestandenem Bourbon und kaltem Rauch. Joe konnte niemanden sehen, spürte aber, dass hier nicht nur einer schlief. Er richtete den Revolver mit der Rechten aufs Bett und suchte an der Wand hinter sich mit der Linken den Lichtschalter.
    Beide Nachttischlampen gingen an, und Joe hantierte mit dem Revolver herum, bis die Mündung aus nächster Nähe mitten auf Vern Dunnegans verschwitzte Stirn zeigte. Der hatte mit Armen und Beinen in den Laken gezappelt, als das Licht angegangen war, saß nun aber aufrecht im Bett und starrte stumm auf das große schwarze Loch des Laufs. Eine ältere, dünne Frau mit blond gesträhntem Haar presste ihre Bettdecke vor den Mund. Ihr Lidschatten war verschmiert, ihre Augen waren voll roter Äderchen. Sie erstickte einen Schrei.
    »Joe, um Himmels willen«, krächzte Vern so zornig wie schlaftrunken. »Was machst du hier, zum Teufel?«
    »Ich hab dich gesucht«, sagte Joe. »Und gefunden.«
    Die Frau war außer sich. Sie zitterte und blickte von Joe zu Vern.
    »Wie heißen Sie, Fräulein?« Joe erkannte sie. Sie arbeitete in der Stockman Bar hinter der Theke.
    »Evelyn Wolters.«

    »Evelyn - wenn Sie nicht sofort aus dem Bett steigen, fliegt Ihnen Vern Dunnegans Hirn um die Ohren.«
    Sie schrie auf und hechtete aus dem Bett. Ihr Hängebusen pendelte, als sie ihre Sachen eilig vom Fußboden auflas.
    »Evelyn, kennen Sie Sheriff Barnum?«, fragte Joe.
    Sie nickte hektisch.
    »Gut. Dann ziehen Sie sich an, und fahren Sie so schnell Sie können zu ihm. Sagen Sie ihm, er soll sofort zu Joe Picketts Haus kommen. Mit allen Hilfssheriffs, die er auftreiben kann. Tun Sie das?«
    Evelyn bejahte.
    »Mich fragst du wohl gar nicht?«, sagte Vern ganz entrüstet zu ihr.
    Joe trat beiseite, damit sie vorbeilaufen konnte. Vern antwortete sie dabei nicht. Dann starrten beide Männer einander schweigend an. Nur die Geräusche von Evelyn Wolters, die sich in aller Eile anzog (Geächz, das ab und zu mit schnalzenden Gummizügen gewürzt war), unterbrachen die Stille. Verns Gesicht war knallrot, seine Augen zu Schlitzen verengt. Joe hatte ihn noch nie so wütend gesehen.
    Die Tür zum Flur knallte zu - und Evelyn war verschwunden.
    »Joe, was geht hier vor, verdammt nochmal? Das ist doch nicht dein Ernst! Joe? Oder? Ich erkenn dich gar nicht wieder.«
    Joe spannte den Hahn seines Revolvers. Die Trommel drehte sich ein wenig, und nun steckte eine Kugel im Lauf. An Verns Schläfen begannen kleine Muskeln zu flattern.
    »Tja, Vern, was soll ich dazu sagen?« Joes Stimme verriet,
wie zornig er war. »Vielleicht hast du mich einfach noch nicht in einer Nacht erlebt, in der meine Frau niedergeschossen wurde, mein ungeborener Sohn gestorben und meine ältere Tochter verschwunden ist.«
    Vern schüttelte den Kopf und schlug sein berühmtes Lachen an. »Joe - du glaubst doch wohl nicht, dass ich auch nur das Geringste mit all dem zu tun habe? Ich hab gerade mit Evelyn die Stockman Bar abschließen wollen, als einer der Hilfssheriffs, die bei dir in der Bighorn Road waren,

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