Jagdrevier: Thriller
überlegte. Beide waren 76-Millimeter-Magnum-Truthahngeschosse mit 4er-Schrotkugeln. Für einen Menschen bis zu einem Abstand von allerhöchstens dreißig Metern tödlich. Eher weniger. Jake kannte einen Jägertrick. Mit dem Taschenmesser kerbte er bei beiden Patronen langsam und vorsichtig die Plastikhülle direkt oberhalb des Messingrandes ein. Er achtete sorgfältig darauf, nicht in den Pfropfen zu schneiden. Jake wusste, dass durch diese Manipulation der Pfropfen und die Kugeln in der Plastikhülle als Masse zusammenbleiben würden, wenn er einen Schuss abgab. Damit konnte er die tödliche Wirkung des Geschosses auf knapp fünfzig Meter strecken.
Jake schraubte den Choke vom Lauf und ließ ihn in seine Weste fallen. Er fürchtete, der Choke könnte die veränderte Munition zu stark zusammendrücken und damit die tödliche Reichweite wieder senken. Sorgfältig lud er die Waffe und hängte sie sich über die Schulter. Er warf einen schnellen Blick den Forstweg entlang. Niemand zu sehen. Unterdessen schwitzte er viel mehr als vorher. Wie Spiderman umfasste er den Baumstamm und versuchte sich hinaufzuschlängeln. Eine Weile mühte er sich ab, dann ließ er sich zu Boden fallen. »
Shit!
«, schnaufte er leise und versuchte es mit einer etwas veränderten Technik noch einmal. Endlich konnte er die Hand über den unteren Ast schieben. Quälend langsam und fast mit letzter Kraft zog er sich auf den Ast. Er zitterte vor Anstrengung. Der zweite Ast, derweit über den Weg ragte, war leichter zu erreichen. Langsam schob Jake sich darauf vor. Als er sich direkt über der Fahrspur befand, zog er das Gewehr von der Schulter und entsicherte es. Nun lag er in seiner strategischen Position sechs oder sieben Meter über dem Boden in der Luft und musste dort das Gleichgewicht halten.
Die werden nie zu mir aufschauen,
dachte er hoffnungsvoll.
Jake versuchte eine halbwegs bequeme Position zu finden, aber das erwies sich als aussichtslos. Der Schweiß rann in Strömen an ihm hinab. Lange würde er es auf dem Ast nicht aushalten. Er überlegte, ob er sich doch einen Platz am Boden suchen sollte. Dort hätte er es wenigstens etwas bequemer. Aber es war zu spät ... Er konnte seinen Posten nicht mehr wechseln. Jake atmete tief durch, biss die Zähne zusammen und starrte den Holzabfuhrweg entlang in die Dunkelheit.
Sechsundsiebzig
Obwohl Reeses Augen sich noch nicht ganz erholt hatten, rannte er den Wildacker entlang zum Hochstand. In dreißig Metern Entfernung blieb er stehen, horchte und hielt nach Bewegungen Ausschau. Mit dem Gewehr an der Hüfte schob er sich näher heran. Unten an der Leiter schaltete er die Taschenlampe ein und suchte nach Blut. Er fand keines. Um ganz sicher zu sein, stieg er die Leiter hinauf und warf einen Blick in die Holzkammer. Er sah die Stellen, an denen seine Schüsse eingeschlagen hatten. Nirgends Blut, nur überall kleine Holzsplitter.
»Verdammt!«, sagte er beim Hinuntersteigen laut.
Reese nahm die Munition aus der Browning. Er hatte noch drei Patronen und durfte nicht einfach drauflosballern. Er musste sich konzentrieren; jeder Schuss musste sitzen. Im Schein der Taschenlampe sah er die Fußabdrücke einer offenbar sehr schweren Person, die nach Südosten geflüchtet war. Die Spur des Killers führte Reese näher zum Highway 17. Für ihn und Moon Pie machte das die Sache leichter. Reese wusste nun, dass der Kerl das Kind trug. Dadurch kam er nur langsam voran.
Nachdem er das Gewehr wieder geladen hatte, stellte er die Vergrößerung des Zielfernrohrs auf die vierte Stufe zurück. So hatte er bei diesem schlechten Licht ein größeres Sichtfeld. Er wollte, dass endlich etwas passierte, und folgte weiterhin den Spuren. Wie ein Bluthund konzentrierte er sich ganz auf diese Aufgabe. Selbst wenn er einmal keine Abdrücke sehen konnte, fand er abgebrochene Zweige und Äste. Beim Gedanken daran,wie seine Opfer in Todesangst durch den Wald hetzten, lächelte Reese.
Er spürte, dass seine Beute sich ganz in der Nähe befand. Jetzt musste er den Kerl schnell abknallen, denn bald würde es hell werden. Indem er die Richtung grob abschätzte und nur etwa alle zwanzig Schritte nach Spuren Ausschau hielt, kam er schneller voran. Es war leicht, sie immer wieder zu finden.
Der Typ verliert die Nerven. Er versucht nicht mal mehr, seine Spuren zu verstecken.
Die Fahrspur bog scharf nach links ab. Im weichen Untergrund konnte Reese die Fußabdrücke auf einer Strecke zwischen fünfzehn und zwanzig Metern schon
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