Jagdsaison. Roman.
erbärmlicher Feigheit folgen zu lassen. Und diesmal behielt seine furchtsame Seite die Oberhand. In einem Atemzug und ohne eigentlichen Grund war er überzeugt, daß die weiße Gestalt der Geist Ricos sei. Sofort war er schweißgebadet.
»Was willst du von mir? Habe ich dir etwas getan?« Dabei kniete er sich auf dem Bett nieder und flehte mit gefalteten Händen: »Hab Erbarmen mit mir.«
Das Gespenst rührte sich nicht, und dem Marchese fiel ein, daß das Licht der ärgste Feind dieser Schattenwesen aus dem Totenreich ist; so erhob er sich, um die Petroleumlampe auf der Kommode anzuzünden, was ihm wegen der zittrigen Hände erst nach mehreren Versuchen gelang. Statt zu verschwinden, nahm die Gestalt das Aussehen von Donna Matilde an: barfuß, im Nachtgewand, mit wallendem Haar, weit aufgerissenen, funkelnden Augen und dicker Schminke, was sie um zwanzig Jahre jünger wirken ließ.
»Ich wollte mich bei Ihnen für das Geschenk bedanken«, sprach die Marchesa, »das Sie sich die Umstände gemacht haben mir zu bringen.«
Dann verstummte sie, während Don Filippo beinahe die Sinne schwanden, als er sie so klein und hilflos und sehr begehrenswert vor sich sah.
Donna Matilde sprach weiter: »Aber nicht nur Dank zu sagen bin ich hier, ich möchte Sie noch wegen einer anderen Sache behelligen.«
»Zu Diensten«, entgegnete Don Filippo und machte ihr Platz im Bett. Fast augenblicklich schrak er zusammen. Was erlaubte sich seine Gattin eigentlich, nachts das Schlafzimmer eines Fremden zu betreten, und obendrein noch mit eindeutigen Absichten? Doch was die letzteren anging, täuschte er sich schwer.
»Die Sache, um die ich Sie bitten wollte, ist folgende: Können Sie mir vielleicht den Namen dessen sagen, der auf meinen Sohn geschossen hat?«
»Wer weiß den Namen schon? Jemand, der ihm übelwollte.«
»Niemand war Rico schlecht gesinnt.«
Der Marchese überlegte, daß sie, wenn er ihr irgendeinen Namen nannte, ruhig und brav wieder in ihr Schlafgemach zurückkehren würde, so daß er wieder schlafen könnte.
»Ist ja gut. Sein Name ist Abdul, es handelt sich um einen Araber, der in der Gegend von Trapani sein Unwesen treibt.«
»Und warum hat er Rico umgebracht?«
»Er ist Mitglied einer Sekte von Fanatikern, die junge Burschen ermorden, die zweiundzwanzig Jahre alt sind, Federico heißen und Pilze essen.«
»Haben Sie Dank, das war wirklich nett von Ihnen. Beehren Sie uns noch länger mit Ihrer Gesellschaft?«
»Noch ein Weilchen, ja.«
»Dann darf ich mich bei Ihnen verabschieden, ich reise nämlich morgen ab.«
»Und wohin geht die Reise, Frau Marchesa?«
»In die Gegend von Trapani. Und sobald ich ihn zu Gesicht kriege, zieh ich ihm eins über den Pelz, dem Araber. Mit dem da.«
Bisher hatte sie den rechten Arm auf dem Rücken gehalten. Jetzt streckte die Marchesa den Arm in Richtung des Marchese und zielte mit einer großen Pistole, die sie fest umklammerte, auf ihn. An diesem Punkt kam die andere Seite Don Filippos zum Vorschein, die tollkühne. Mit fürchterlichem Wolfsgeheul stürzte er sich auf seine Frau und packte sie am Gelenk der bewaffneten Hand. Beide wälzten sich auf dem Boden. Ein erster Schuß ging los, traf den Leuchter, Petroleum lief aufs Bett, und die Leintücher fingen Feuer. Die beiden setzten ihre Keilerei fort und schrien wie Besessene. Der zweite Schuß nahm seine Bahn Richtung Zimmertür, durch die im nämlichen Augenblick Mimì trat. Flugs berechnete er mit dem Instinkt des ehemaligen Straßenräubers allein aufgrund des Knalls Schußbahn und Zielpunkt und rückte gerade soviel wie nötig zur Seite. Auch Ntontò und Peppinella stürzten kreischend herbei, und endlich wurden die Kampfhähne getrennt.
»Dieser Mann da hat sich auf mich gestürzt, wollte unanständiges Zeugs mit mir machen und hat mich mit einer Pistole bedroht«, sagte Donna Matilde seelenruhig und ohne Luft zu holen.
»Ich? Aber du warst es doch, du hast auf mich gezielt!«
»Siezen Sie mich gefälligst, Rüpel!«
Ntontò und Peppinella brachten die Marchesa fort und schlossen sie in ihrem Zimmer ein, dann eilten sie Don Filippo und Mimì zu Hilfe, um den ausgebrochenen Brand zu löschen. Bis in die Morgenstunden hatten sie alle Hände voll zu tun.
»Hat alles seine Richtigkeit zu Hause?« fragte Baron Uccello.
»Ja, wieso?« fragte der Marchese zurück, der schon die dritte Runde an diesem Morgen verlor.
»Dann erzählt man sich also nur dummes Zeug im Dorf.«
»Was für welches?«
»Daß tief in
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