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Jagdsaison. Roman.

Jagdsaison. Roman.

Titel: Jagdsaison. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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der Nacht erst zwei Schüsse in Ihrem Haus zu hören waren und darauf Flammen hinter den Fensterläden gesehen wurden.«
    »Was machen die Leute eigentlich nachts, anstatt zu schlafen oder sich die eigenen Hörner abzustoßen?«
    »Hm. Man erzählt sich, daß es zwei Gewehrschläge… was weiß ich… aus einer Pistole gewesen seien.«
    »Das war ich, mein Bester. Ich hatte zwei Feuerwerksraketen gekauft, die ich beim Fest von San Calorio loslassen wollte. Aber ich durfte ja nicht, weil wir Trauer haben. Ich habe sie eben ausprobieren wollen.«
    »Nachts?«
    »Wieso, gibt es eine festgesetzte Uhrzeit, um Knaller zu zünden?«
     
    Da war nichts zu machen. Der Marchese saß am Schreibtisch, während an seiner Seite der Buchhalter Gegè Papìa, sein Hofverwalter, ihm Dokumente zur Unterschrift vorlegte. Und vor jeder Unterschrift roch Don Filippo an den Fingern. Umsonst. Er hatte sich mehrmals gewaschen, aber der Geruch von Donna Matildes Haut war ihm an Händen und Armen, einfach überall, haftengeblieben. Zu nah waren sie einander in der Nacht zuvor bei der Rauferei gekommen. Don Filippo unterzeichnete das letzte Papierstück. Die Peluso waren in gewissem Sinn ihrem Stand und Ansehen untreu, denn sie konnten lesen und schreiben, während der Großteil der Adligen gewöhnlich anstelle der Unterschrift ein Kreuzzeichen machte. »Er unterschreibt nicht, er ist ein Adliger«, hieß es. Schreiben und Lesen war Sache der Tintenkleckser, der armseligen Angestellten. Papìa verneigte sich und verließ den Raum. Don Filippo konnte endlich nach Belieben seine Finger beschnuppern.
    Nach zaghaftem Klopfen trat Ntontò ein. »Habt Ihr Papìa angewiesen, die Beerdigung vom Großvater und die von Rico zu bezahlen? Heute früh hat mich Padre Macaluso zum wiederholten Male erinnert. Selbst wenn man Papìa das Fell über die Ohren zieht, würde er den Pfaffen freiwillig keinen Sold bezahlen.«
    »Ich habe es ihm gesagt. Noch heute kriegt die Kirche ihr Geld. Aber da du schon mal hier bist, Ntontò, sag mir bitte: hat die Mama noch den marchese ?«
    Ntontò wechselte auf der Stelle ins Süßsaure über. »Wie kommt Ihr nur darauf, unter den gegebenen Umständen Witze zu reißen? Natürlich hat sie den Marchese, das seid doch Ihr. «
    »Du hast mich nicht verstanden. Kriegt die Mutter noch ihre Tage?«
    Ntontò wurde feuerrot. »Aber was für eine Schweinerei geht Euch bloß durch den Kopf? Die Mutter ist seit zwei Jahren keine Frau mehr.«
    Sie brach in Tränen aus und lief davon.
    Don Filippo beschnüffelte erneut seine Hände.
     
    Es wurde eine zweite Höllennacht. Der Wohlgeruch der Gattin auf seiner nackten Haut wurde immer betörender und ließ die Erinnerung an gemeinsame Nächte vor zwanzig Jahren lebendig werden, als er und Donna Matilde aus ganz anderen Gründen eng ineinander verkeilt gewesen waren. Hinzu kam der Gestank von Verkohltem, der an den Wänden haftengeblieben war und ihn zum Husten reizte, dennoch wollte er nicht aufstehen und das Zimmer wechseln. Er war heftig erregt und gab die Schuld dafür der großen Hitze, die noch immer herrschte, obwohl sich der September dem Ende zuneigte. Als die Glocken zur Frühmesse läuteten, kleidete er sich an und verließ mit sachtem Schritt das Haus, das Tor geräuschlos hinter sich schließend.
    Stehend wartete er am Ende des Kirchenschiffs, bis die Messe zu Ende war und die vier alten Weiber und die beiden von der Feldarbeit buckligen Bauern hinausgegangen waren, und stürzte dann in die Sakristei. Dort legte Padre Macaluso mit Hilfe des Mesners die Paramente ab und war bei Don Filippos Anblick ehrlich überrascht, tat jedoch so, als sei nichts. Als reizbarer alter Griesgram, der er nun einmal war, erwartete er, daß der Marchese zuerst grüßte, während Don Filippo nicht im Traum daran dachte, seinen Gruß an einen Pfarrer, Sohn schlammfüßigen Bauernvolks, zu richten. So kam es, daß sie einander nicht begrüßten. Stocksauer legte Padre Macaluso die Paramente fünfmal mehr als notwendig zusammen.
    »Schmor du ruhig im eigenen Saft.«
    Nachdem der Pfarrer den Sakristan weggeschickt hatte, würdigte er den Marchese endlich eines Blickes. »Was haben wir denn nur?«
    »Ich möchte mit Ihnen reden.«
    »Das ist ja reizend! Ich habe schon gedacht, Sie seien in aller Herrgottsfrühe gekommen, um mir den Kopf zu waschen.«
    Der Marchese verstand die Redewendung nicht. »Und ich wünsche auch, daß das, was ich Ihnen anvertraue, unter uns bleibt.«
    »Sehen Sie, über anderer

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