Jagdsaison. Roman.
einem, der mit einer Grille spricht, etwa keine Schraube locker?« fragte Don Filippo und suchte Zuflucht beim gesunden Menschenverstand.
»Sehen Sie, Don Filippo, die Sache ist die, daß die Viecher ihm antworteten.«
»Sie sprachen?«
»Nein, sie sprachen nicht, aber sie antworteten auf ihre Weise, mit einer bestimmten Bewegung oder mit Lauten oder Rufen. Aber was sie meinten, begriff nur er. Einmal debattierte er drei Stunden lang unter glühendheißer Sonne mit einer Eidechse.«
Don Filippo spürte, wie sich ihm bei Fofòs Worten der Kopf zu drehen begann. Er wollte die Unterredung lieber auf soliderem Terrain fortsetzen. »Ich erzähle dir, wie der Name deines Vaters herauskam. Du mußt wissen, daß dieser Spitzbube Gregorio Gulisano mir heimlich gefolgt war. Als ich mit den Birnen ins Dorf zurückkam, ging Gulisano mit seiner Gaunervisage zu Santo und redete mit Engelszungen auf ihn ein, bis er am Ende vier Fenchelknollen von ihm erhielt, mit denen man Fleisch auf die Rippen kriegen sollte. So waren Gulisano und ich nach drei Monaten zu zwei feschen Burschen geworden. Die Neuigkeit machte die Runde, alle hatten eine Bitte an Santo, und er konnte keinem etwas abschlagen. Aber er hatte Angst, daß man seinen Garten entdecken könnte, und beauftragte dich, dreimal pro Woche in den Ort zu gehen und den Leuten die bestellten Waren zu bringen. Erinnerst du dich noch, wie man dich nannte?«
»Ja. Balkonschwängerer.«
»Stets hattest du die Nase zum Himmel gerichtet, um die Mägdelein und Frauenzimmer auf den Balkonen zu beäugen, und stießest beim Gehen an allen Ecken und Enden an. Einmal fand ich dich, wie du unter einem der großen Fenster dieses Hauses Maulaffen feilhieltest: Ntontò, die seinerzeit noch keine acht Jahre alt war, stand dort, und du starrtest sie an wie magnetisiert. Und sie erwiderte deinen Blick. Ich verpaßte dir einen Tritt in den Hintern, auf daß du drei Meter weit flogst, die Tomaten fielen aus dem Korb, den du trugst, und du fingst an zu heulen. Erinnerst du dich noch?«
»Nein. Sehen Sie, Don Filippo, zu der Zeit bekam ich derart viele Tritte ab, daß mir heute noch der Arsch weh tut. «
Don Filippo tat einen tiefen Atemzug. »Ich werd alt, mein Guter«, sagte er. »Ich fange schon an, Geschichten aus der Vergangenheit zu erzählen.«
Schweigend erwarteten sie Donna Matildes Tod.
Zwei Stunden nach dem Begräbnis saß Don Filippo, Pfeffer unterm Hintern, schon wieder im Sattel, um auf den Zubbie-Hof zurückzureiten. Mimì führte das Tier an den Zügeln, begleitete seinen Herrn vom Stall zum Ausgang und verriegelte dann das Tor hinter ihm.
Bevor der Marchese dem Pferd die Sporen gab, sah er noch einmal zurück. Am rechten Türflügel waren deutlich die drei Trauerzeichen zu sehen, drei große schwarze Kokarden: Die erste war vom Sonnenlicht völlig ausgebleicht, die zweite etwas weniger, die dritte war nagelneu. Unter der ersten besagte ein Schild »für meinen lieben Vater«, unter der zweiten las man »für meinen angebeteten Sohn«, unter der dritten »für meine Gemahlin«.
»Zum Glück ist noch Platz«, dachte der Marchese und ritt davon.
In den sechzehn Monaten, die Don Filippo noch zu leben hatte, verliefen die Tage ruhig und friedlich. Auf dem Zubbie-Hof hatte er nichts weiter zu tun, als mit Trisìna ins Bett zu gehen und ausgedehnte Spaziergänge zu unternehmen. So kam es, daß er eines Tages beim Gang durch die Rebreihen seines Weinbergs eine schlimme Entdeckung machte, die ihn sehr verstimmte. Er wartete den nächsten Besuch Pirottas ab, der sich immer seltener sehen ließ, um mit ihm ein Wörtchen zu reden. »Natà, hast du den Weinberg gesehen?«
»Nein, der Herr, lange schon habe ich mich nicht mehr um den gekümmert.«
»Komm mit.«
Das geschulte Auge Pirrottas erkannte sofort das Unglück. »Den hat die Rebkrankheit erwischt«, sagte er. »Da muß Schwefelsulfat gespritzt werden.«
»Und warum machst du das nicht?«
»Weil man für die Arbeit mehrere Tage braucht. Und ich habe keine Lust, mit Trisìna unterm selben Dach zu schlafen.«
Don Filippo sah ihn nachdenklich an. »Da läßt sich Abhilfe schaffen.«
Natale Pirrotta ließ sich auf den Vorschlag des Marchese nur ein, weil ihm der Anblick des kranken Weinbergs schwer zu Herzen ging. Die Lösung, die Don Filippo gefunden hatte, war überaus simpel. Wenn Natale mit Trisìna nicht unter demselben Dach schlafen wollte, brauchte man neben dem Herrenhaus nur einen Anbau mit eigener
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