Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jagdsaison. Roman.

Jagdsaison. Roman.

Titel: Jagdsaison. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
Überdachung für ihn zu bauen. Der Landaufseher hielt das für vernünftig und machte sich eifrig mit Steinen, Kies und Kalk ans Werk. Die Tür und das Fenster schaffte Mimì auf einem Karren herbei. Zwanzig Tage später konnte Pirrotta sein Lager dort aufschlagen. Maddalena, die Schwester Peppinellas, wurde wieder in den Palazzo Peluso nach Vigàta geschickt, um Fräulein Ntontò zu begleiten, wenn sie, selten genug, das Haus verließ und zur Messe ging. Auf dem Zubbie-Hof aber hielt man sich streng an die Regeln: Nach dem Abendessen ging Pirrotta in das ebenerdige Zimmer schlafen, Trisìna stieg in den ersten Stock, um sich im Ehebett langzulegen, und der Marchese zog sich in sein Gemach zurück. Was zwischen Don Filippo und Trisìna geschah, sobald die Lichter gelöscht waren, wußten nur der liebe Gott, Pirrotta und ganz Vigàta.
    Eines Abends, Trisìna war schon schlafengegangen, saßen Don Filippo und Natale noch ein Pfeifchen schmauchend beisammen und sahen in den Mond.
    Da beschloß der Marchese, mit seinem Vorhaben herauszurücken: »Natà, ich will einen Sohn zeugen.«
    »Mit Trisìna?«
    »Nein, mit dir.«
    Sie lachten.
    »Und was habe ich für eine Rolle dabei?« fragte Pirrotta nach einer Weile.
    »Du spielst den Vater. Das Kind nimmst du auf deine Kappe und gibst ihm deinen Namen. Und ich, der ich vor den Augen der Welt keine männlichen Nachkommen habe, werde es dann mit deiner Zustimmung adoptieren. Hältst du das für vernünftig?«
    »Vernünftig ist das schon. Aber haben Sie schon mit Trisìna gesprochen?«
    »Was interessiert mich Trisìna. Die wird tun, was wir ihr sagen, wenn wir beide uns einig werden.«
    Pirrotta schwieg lange und ließ sich die Sache durch den Kopf gehen. Der Marchese legte das Schweigen des Landaufsehers falsch aus.
    »Wir haben alle unseren Gewinn dabei, Natà. Ich kriege einen Sohn, und du steckst dir, soviel du willst, in die Tasche, wenn du mir die Erlaubnis zur Adoption gibst. Was auch immer du verlangst.«
    Langsam zog Pirrotta die Pfeife aus dem Mund. »Ich habe Euer Ehren immer Achtung entgegengebracht. Und Euer Ehren haben mich immer mit Respekt behandelt. Warum wollt Ihr jetzt anfangen, mich zu beleidigen?«
    »Ich bitte um Verzeihung, Natà«, erwiderte der Marchese und begriff den Fehler, den er gemacht hatte.
    »Lassen Sie mich eine Nacht darüber schlafen, morgen früh sage ich Ihnen dann, was ich davon halte.«
    Ein stummer Blickwechsel genügte am nächsten Morgen, und der Marchese verstand, daß Natale sein Einverständnis gab.
     
     

4
     
     
    Erst die Weinlese im September brachte buntes Leben auf den Zubbie-Hof. In aller Herrgottsfrühe trafen Scharen schnatternder Frauen ein, die vor den Toren von Vigàta auf zwanzig Karren abgeholt worden waren und sich sofort an die Arbeit machten. Jede Frau nahm sich eine Rebreihe vor und schnitt in der Hocke die Weintrauben, die sie in einen Korb aus Palmgeflecht legte. War der Korb voll, leerte sie ihn in eine Bütte aus Schilfrohr, und wenn die Tragbütte bis zum Rand gefüllt war, packte sie ihn auf die Schultern und entlud ihn in einen Karren mit hochgezogenen Seitenplanken. Und war der Karren voll, ging’s ab zum Ortsteil Durrueli, wo der Marchese Kelterwannen, Traubenpressen, Fässer und Vorratsräume hatte. Im Nu war der Karren wieder zurück. In der geräumigen Küche bereiteten Trisìna und die eigens herbeigerufene Maddalena das Zubrot für die Weinbergarbeiterinnen zu: An einem Tag gab es macco , einen dicken Brei aus Saubohnenmehl, und am nächsten Tag caponatina: Kapern, Staudensellerie, Zwiebeln und Oliven mit ein wenig Tomatensauce gekocht, mit Essig angemacht. Schlag zwölf blies Natale in die Pfeife aus Schilfrohr, die Frauen ließen von der Arbeit ab und strömten auf dem Vorplatz zusammen, in dessen Mitte der große Kessel thronte. Dort stand Maddalena mit dem Schöpflöffel, und die Frauen zogen in Reih und Glied an ihr vorüber und hielten ihr den Eßnapf hin. Sie aßen und sangen, schwätzten und ratschten, warfen einander Grobheiten an den Kopf, und eine halbe Stunde später waren sie auch schon zurück auf dem Weinfeld, wo sie bis zum Sonnenuntergang schwitzten. Dann pfiff Pirrotta wieder, die Frauen sprangen auf die Karren, aus deren Ritzen der Most tropfte, und kehrten nach Vigàta zurück.
    Der Marchese hatte seine Gaudi. Er durchstreifte die Rebreihen von rechts nach links, um sich ja keine anzügliche Bemerkung, keine Schlüpfrigkeit oder unmißverständliche Anspielung entgehen zu

Weitere Kostenlose Bücher