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Jagdzeit

Titel: Jagdzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Toman
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sein Geheimnis, so wie die Weihnachtskekse, die nicht die Katze vom Blech auf der Arbeitsplatte gestohlen hatte. Die Katze war nämlich gar nicht im Haus. Aber das hat das Kind nur dem Leuchtmondmann in seinem Zimmer erzählt, und der kennt sich aus mit Geheimnissen.
    Ob DAS DING ein Mamipapigeheimnis ist?
    Es zögert. Wenn es auf den Stuhl steigt und sich streckt, dann kann das Kind DAS DING erreichen. Knapp. Das ist schwieriger als bei den Weihnachtskeksen, aber es ist seither ja auch gewachsen. Nervös steckt es den Daumen in den Mund. Das macht es immer, wenn es verunsichert ist. Mami gefällt das nicht, aber Mami versteht nicht, dass es absolut notwendig ist, in gewissen Situationen den Daumen in den Mund zu stecken. Der Daumen beruhigt. Entschlossen klettert es auf den Sessel.
Tatsächlich berühren seine Finger DAS DING fast, und es stellt sich auf die Zehenspitzen, um noch ein wenig höher greifen zu können. Ein wenig höher, noch ein Stück …
    Sarah lächelt strahlend und zum allerletzten Mal, während ihre Hand die kühle, glatte Oberfläche DES DINGS berührt.
    Sarah hört ganz zuletzt das Geheimnis flüstern.

8 Die SMS 1 - gespeichert
    treffen heute abend 19:30 gifthütte? cu, der herr lehrer

Die Akte W.
    TEIL 2: DER WOLF

1 Mondstrahlen
    Adrian musterte die rote Flüssigkeit in seinem Glas ausgiebig. Die Farbe schwankte zwischen Zinnober- und Rubinrot, ungewöhnlich hell. Das zu grelle Licht der Wirtshauslampe über ihm gab der Substanz zusätzlich einen ungesunden Schimmer. Ein Rot wie …
    »Was ist das?«
    Der Wirt betrachtete ihn wegen dieser sonderbaren Frage wie ein zu groß geratenes Insekt, vorzugsweise wohl eine besoffene Reblaus.
    »Ein Geschenk des Hauses.« Sepp bleckte die Zähne zu einer Art Grinsen. »Ein Willkommenstrunk.«
    Adrian studierte die Gesichtszüge des Wirtes.
    »Willkommenstrunk? Ich bin bereits seit drei Tagen hier.«
    Sepp winkte großzügig ab.
    »Dieses Geschenk muss man sich bei uns erst verdienen. Nicht jedem Gast erweise ich diese Ehre. Das ist mein bester Rotwein, über zwanzig Jahre alt.«
    »Ein Ladenhüter?«
    »Eine Rarität!«
    Sepp grinste nicht mehr. Er starrte stumm auf das Glas, als hätte es auch noch etwas zu seiner Verteidigung zu sagen. Als nichts geschah, begab er sich zur Theke, von wo er sein eigenes Glas holte und es seinem Gast entgegenstreckte.

    »Prost, Herr Alt! Auf einen angenehmen Aufenthalt.«
    »Danke, aber ich trinke keinen offenen Wein.«
    Sepps Blick flackerte.
    »Die Flasche kommt direkt aus dem Keller. Das ist kein Schankwein, das ist …«
    »Zu freundlich. Ich weiß das zu schätzen, vielleicht ein anderes Mal. Ich vertrage nur bestimmte Getränke, daher bin ich vorsichtig, was ich konsumiere. Der Magen, Sie verstehen? Aber vielleicht wären Sie so nett, mir Milch zu bringen? Noch verschlossen im Tetrapack, bitte, ich vertrage Milchprodukte nur absolut frisch.«
    Sepp beugte sich vor, bis sein Gesicht auf gleicher Höhe mit dem seines Gegenübers war. Adrian konnte die feinen Äderchen auf den Nasenflügeln des Wirtes erkennen. Zinnoberrot, natürlich.
    »Herr Alt, ich warne Sie. Sie sollten langsam damit beginnen, sich uns anzupassen, oder diesen Ort demnächst verlassen. Wir mögen keine - Eigenbrötler.«
    In diesem Moment war das schrille Läuten eines altmodischen Telefons in einem Nebenraum zu hören. Missmutig nahm Sepp das Glas Rotwein mit und verschwand durch die Tür hinter dem Schanktresen.
    Adrian Alt sah ihm nachdenklich nach. Wie lange konnte er sich auf diese Weise noch aus der Affäre ziehen? Wie viele Willkommensgetränke konnte er abweisen, und wann würden die Warnungen eindeutiger werden? Zweifellos stand er unter Beobachtung, nicht erst seit dieser Minute. Er wusste, er musste auf der Hut sein, besonders seit seinem Besuch beim Unterberger.
    Drei Tage waren seit seiner Ankunft in W. vergangen. Er war seit Längerem der erste Fremde hier, weshalb er das ungeteilte
Misstrauen der gesamten Dorfgemeinschaft genoss. Er war, nachdem er Selenes Auftrag angenommen hatte, mit einem ganzen Stapel Dokumente angereist, den Ergebnissen seiner mühsamen Recherche. Was immer man über diesen Ort herausfand, nie hatte man das befriedigende Gefühl, den Durchblick zu haben. Niemand schien gerne über W. zu sprechen, als bedeute schon die Artikulation des Namens, dass man von einer mysteriösen Krankheit befallen wurde. In Zeiten globaler Vernetzung waren so wenige Informationen schon wieder extrem verdächtig.
    Es gab ein paar

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