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Jagdzeit

Jagdzeit

Titel: Jagdzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Osborn
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dass er in eine Falle geraten war.
    Dort, wo Martin sich befand, machte der Fluss eine Schleife, sodass er beinahe in sein eigenes Bett zurückfloss. Das Haus dahinter lag dicht an der Verengung dieser Schleife, und als Martin vorhin in den Wald gestürzt war, war er, ohne es zu wissen, nur einen Steinwurf vom Fluss entfernt gewesen, sowohl zu seiner Rechten wie zur Linken. Jetzt steckte er mitten in der Schlinge, und es gab keinen Weg hinaus, außer geradewegs nach vorne. Nur ein paar Yards entfernt hörte er Art und Ken einander zurufen. Er hatte keine Chance mehr umzukehren, ohne gesehen zu werden.
    Gleich vorne am Flussufer lag ein kleines Bootshaus. Die Tür war abgeschlossen. Planlos und ohne eine Idee, wozu, zertrümmerte Martin blindlings ein kleines Fenster und hievte seinen Körper über das Fensterbrett. Jeder Platz schien ihm jetzt eine Zuflucht zu sein. Er fiel schwer, mit dem Gesicht voran, auf einen feuchten, mit Unrat übersäten Betonboden. Als er aufstand, schmeckte er Blut. Es floss aus einer Wunde auf seiner Nase, ein Glasschnitt, und mehr Blut kam aus einer bösen Abschürfung am Kinn. Er blickte um sich. Im Halbdunkel erkannte er Ruderboote, ein halbes Dutzend, und ein altes Kanu. An der Flussseite gab es eine Doppeltür, die mit einem zwei mal vier Kantholz verschlossen war. Er hob den Riegel aus der Halterung und warf sich gegen die Türflügel. Rostige Scharniere kreischten; die Unterkanten der Türen kratzten scharf am Beton, aber sie gaben nach, Licht und das Geräusch des Flusses strömten herein.
    Martin drehte das Kanu um, suchte nach einem Paddel. Er konnte keines entdecken. Er griff sich ein Ruder, das mit einem Dutzend anderer in einer Ecke stand, und schob den Bug des Kanus eine kurze, seichte Rampe hinunter in den Fluss und stieg hinein. Er drückte das Ruder hart gegen die Rampe, stemmte sich dagegen und stieß sich ab. Das Kanu schwankte wild und schwenkte seitlich herum ins Wasser.
    Dann sah er Ken und Art. Sie waren kaum zehn Fuß vom Bootshaus entfernt und beobachteten ihn, die Gewehre lässig über den Arm gelegt. Er wusste, dass sie die ganze Zeit da gewesen waren, während er die Türen geöffnet und das Kanu hinausgewuchtet hatte. Einfach dagestanden und gewartet.
    Ken sagte: „Du hast diese Scheiße gebaut, Artie. Er ist dein Täubchen.“
    In der eiskalten Ewigkeit, die folgte, beobachtete Martin, wie Art zielte, sah aber nicht Art, sondern nur das obszöne, runde, schwarze Loch der Mündung des Gewehrlaufs. Es war direkt auf ihn gerichtet. In einem Augenblick würde etwas aus diesem Loch herauskommen, so schnell und hart, dass er es nie erkennen würde. Ein schrecklicher Schlag und Finsternis würden folgen. Am Schlimmsten war, dass es zu spät war, irgendetwas dagegen zu tun. Der Tod — das war jetzt. Er fühlte sich innerlich schluchzen, aber es kam kein Ton über seine Lippen.
    Dann knallten Schüsse. Einer nach dem anderen, so schnell, wie Art sie überhaupt abfeuern konnte. Und gleichzeitig ein gewaltiges Zerren unter Martins Füßen. Holzsplitter flogen und sofort umspülte etwas Kaltes seine Fußgelenke. Starr setzte er sich hin, kehrte in die Realität zurück. Der Bug des Kanus war zur Hälfte weggeschossen; Wasser strömte herein. In weniger als einer Minute war das Kanu in zwei Fuß tiefem, eisigem Wasser auf schlammigen Grund gelaufen.
    Ken lachte, schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Art wartete, ohne zu lächeln, bis Martin wie betäubt ans Ufer zurückgewatet war.

10
    In der Abenddämmerung erreichten sie ihr Ziel. Der Fluss weitete sich zu einem See von einer Viertelmeile Breite und einer Meile Länge. Dann wurde er wieder enger, um sich durch die endlosen, wogenden Wipfel des schweigenden Waldes zu schlän geln.
    Vor der Jahrhundertwende war die Gegend stark gerodet worden: Nun war der Wald nachgewachsen, Ahorn, Esche, Buche und Waldeiche waren zu den sonst vorherrschenden Kiefern dazugekommen, die sich ausgebreitet und ihre volle Größe erreicht hatten. In jener längst vergessenen Zeit war eine kleine Sägemühle schnell und illegal gebaut worden, auf einem Fleck Land, der einmal eine Halbinsel mit felsigem Steilufer gewesen war, die wie eine Zunge in den See ragte. Hier waren Baumstämme, die über den See oder flussabwärts trieben, gesammelt, geschält, zu groben Brettern zersägt und auf einheitliche Länge zugeschnitten worden, bevor sie im Winter dann mit Schlitten zu einer inzwischen verlassenen, einige Meilen entfernten Eisenbahnlinie

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