Jagdzeit
sein, aber Martin wurde es kalt im Magen, und er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen.
Dann sagte Nancy ruhig: „Zehn Minuten, und jetzt hinaus mit Ihnen. Sie machen mich nervös.“
Sie schob Greg Richtung Tür.
Er war überrascht, dann grinste er, schwenkte die Flasche zu einem angedeuteten Gruß und fragte Martin: „Was ist mit dir? ‘n Schluck?“
Martin antwortete nicht. Er konnte nicht. Er sah zu Boden, steif und unnachgiebig.
Greg zuckte die Achseln, warf einen letzten Blick auf Nancy, die ihre Pfanne schüttelte, um zu vermeiden, dass der Reis am Boden anklebte, dann vermengte sie die brutzelnde Paella mit den braun werdenden Körnern.
Greg ging raus. Martin stierte ihm nach, dann glotzte er Nancy an. Sie nippte an ihrem Drink, dann machte sie sich wieder an die Arbeit. Er guckte runter auf die Kette. Sie war obszön, grässlich, eine lange schwarze Schlange, schlitternd und sich windend, wenn Nancy sich bewegte. Sie hatte einen Küchenschwamm in das Fußeisen gesteckt, um ihr Fußgelenk davor zu schützen, aufgerieben zu werden.
Von nebenan hörte man Gelächter und das Knistern des Feuers. Art spielte leise auf einer Mundharmonika.
Es konnte nicht wahr sein, nichts davon. Gestern Nacht um die gleiche Zeit, dachte Martin, hatten sie gerade die Mackinac-Brücke überquert, und das Einzige, woran er gedacht hatte, war, Nancy zu füttern, auszuziehen und ins Bett zu kriegen.
Mechanisch fing er an, die anderen Büchsen zu öffnen.
11
Als es Abendessen gab, waren sie schon auf dem besten Weg, besoffen zu werden. Nachdem sie Nancys Kochkunst gelobt hatten, fingen sie an, Toasts auszubringen. Der erste war für sie, die Köchin. Martin, der nicht trank, weil bei ihm Verdacht auf ein Magengeschwür bestand, stach heraus wie ein böses Omen, und Greg zwang ihn, ein halbes Glas Bourbon runterzukippen, und dann noch eins.
Später, als alle zu Bett gegangen waren und die Hütte finster und ruhig dalag, war ihm davon übel. Eine zweite Kette mit Fußeisen war aufgetaucht, die an der Wand des Wohnzimmers unter einer der Sitzbänke befestigt war. Diesmal war Martin dran.
„Tugend wird belohnt“, hatte Ken gesagt, als er Nancy freiließ. Was er wirklich meinte, war, dass sie es nicht wagen würde, nachts allein in den eiskalten Wald zu fliehen. Er wusste es. Sie wusste es. Ob angekettet oder nicht, sie war eine Gefangene.
Aber Martin war nicht Nancy. Also war er jetzt draußen auf der Terrasse, über das Geländer gebeugt und versuchte zu kotzen, den beißenden, süßlich-scharfen Gestank von Bourbon und Galle in der Nase u-nd zwischen den Zähnen, und seine Nachtkette war auf die ganze Länge gespannt, das Eisen schnitt in sein Fußgelenk.
Drinnen kauerte Nancy, in eine Decke gehüllt, auf einer der Bänke und wartete. Sie hatte sich den ganzen Abend gut gehalten, seit sie beschlossen hatte mitzuspielen. Ihr Gehirn war leer, der Kopf ganz leicht nach all der Anstrengung und tief innen spürte sie einen Druck in ihrer Brust, wie ein Eisenband unter den Rippen, um ihre Lungen. Das war der Schmerz stundenund stundenlanger Anspannung. Sie hätte sich nicht aufraffen können, Martin irgendwie zu helfen. Sie wusste, dass sie einen Punkt erreicht hatten, an dem keiner mehr imstande war, sich um den anderen zu kümmern. Obwohl sie zusammen waren, waren sie allein.
Während des Abendessens hatte sie auf die Vergewaltigung gewartet. Das musste geschehen. Sie war seelisch darauf vorbereitet; nichts konnte schlimmer sein als Eddie. Sie hätte ihnen ohne Protest erlaubt, sie abwechselnd zu nehmen; eine Frau stirbt nicht am Sex. Sie wurde nur schwanger. Aber sie betete, dass sie sie nicht schlagen würden.
Sie und Martin mussten mit am Tisch sitzen. „Eine große, glückliche Familie“, hatte Art gesagt. Sie wurde zwischen Ken und Greg platziert. Greg hatte einmal ihre Brust mit dem Rücken seiner riesigen Hand gestreift, als er nach etwas langte, sie wusste, dass es Absicht war, das wusste eine Frau immer. Aber sie hatte nichts gesagt, und er auch nicht. Dann war Art schließlich umgekippt, und nachdem Ken und Greg ihn ins Bett gebracht hatten, war Ken zurückgekommen, um ihr und Martin das Badezimmer zu zeigen; er war bei Martin geblieben, als der auf dem Klo war und sich die Zähne putzte, hatte sie aber dann allein gelassen und ihr sogar gezeigt, wie man die Tür abschloss. Es war wie ein Alptraum. Ken war der fürsorgliche Gastgeber und sie waren einfach willkommene Gäste, die hier das Wochenende
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