Jagdzeit
hatte. Es war ein Schock für ihn. Sie kochte also doch. Warum? Als sie seine Überraschung wahrnahm, lächelte sie höhnisch. „Weißt du was? Das ist das erste Mal, dass ich dir ein Essen koche.“
„Das ist nicht lustig.“
„Aber wahr.“
Er verstand ihre Ruhe nicht, beinahe Heiterkeit. Verzweifelt fragte er sich immer wieder, warum sie sich entschieden hatte, doch zu kochen. Aus irgendeinem Grund, den er ebenfalls nicht verstand, hatte er Angst zu fragen. Aber er hatte irgendwie das Gefühl, dass sie sie beide hintergangen hatte. Er war sauer auf sie und musste sich zwingen zu sprechen. „Was kann ich tun, um dir zu helfen?“ Er vermied es sorgfältig, hinunterzuschauen. Sie stand am Herd und er wusste, dass der ganze Küchenboden von der schwarzen Linie der Kette durchschnitten wurde. Er glaubte nicht, den Anblick ertragen zu können.
„Sind sie draußen mit dir fertig?“
„Sie haben gesagt, ich soll reingehen.“
„Du kannst ein paar Dosen aufmachen. Da.“ Sie schob ihm welche über den Küchentisch rüber. „In diesen beiden ist Paella. Und da sind Pfirsiche. Zum Nachtisch. Das sind Artischockenherzen, und das Erbsen. Der Dosenöffner ist da drüben.“
Martin schaute hin. Das Ding war an der Wand neben der Tür befestigt. Er trug eine Dose hinüber, während Nancy etwas Speiseöl in eine große Bratpfanne schüttete und großzügig Pfeffer und ein paar Kräuter darüberstreute, die sie gefunden hatte.
Martin sagte mit gedämpfter Stimme: „Sie trinken viel.“
Nancy antwortete nicht. Sie war damit beschäftigt, das Öl zu erhitzen, und drehte die Pfanne so, dass es vom tiefer liegenden Rand zur Mitte floss. „Verdammt, kann eigentlich niemand mal eine anständige Pfanne herstellen?“ Sie gab den gehackten Knoblauch hinein.
„Das ist vielleicht die Lösung“, sagte Martin. „Man muss sie stockbesoffen machen.“
„Wo ist meine Paella?“
Er brachte ihr die geöffnete Dose. Sie enthielt nur die Fischzutaten, getrocknete, gehackte Pilze und Gemüse. Sie gab alles in die Pfanne und breitete die Zutaten mit einer Gabel aus. „Wo ist die andere?“
Martin verlor langsam die Nerven. „Musst du so reden, als würde es dir Spaß machen?“
„Spaß machen — was?“
„Kochen.“
„Ich liebe Kochen.“
„Ich meine, Kochen für sie .“ Seine Stimme zitterte vor Anspannung. Er packte sie grob am Arm. „Was zum Teufel führst du im Schilde? Was ist los mit dir?“
Sie riss sich los. „Was soll ich denn deiner Meinung nach machen, Martin?“
„Du brauchst nicht so auszusehen, als machte es dir Spaß.“
„Es macht mir keinen.“ Einen Augenblick lang wich aller Mut aus ihren Augen, und sie sah verloren aus, verzweifelt, wie sie es im Auto gewesen war.
„Dann hör auf damit!“
Sie nahm sich wieder zusammen, mit sichtbarer Anstrengung. „Es ist auch unser Essen“, sagte sie. „Wir werden nicht weiterkommen, wenn wir gegen sie kämpfen. Wir können nicht. Wir müssen mitspielen, ob wir wollen oder nicht. Bis wir sehen, was passiert. Das ist die einzige Möglichkeit.“
Sie hatte Recht, und er wusste es. Aber ihm wurde schlecht bei dem Gedanken, auch nur einem von ihnen ins Gesicht zu blicken. Er wünschte sich, ein Gewehr in die Hand zu bekommen und es auf sie zu richten. Er war nie beim Militär gewesen. Wie es wohl war, den Abzug zu drücken, ein lautes Geräusch zu hören und einen Mann fallen zu sehen, der im selben Moment von etwas Lebendigem zu etwas gänzlich Unbeweglichem wird? Man konnte sich herunterbeugen, es schüt teln und mit ihm sprechen, und es würde sich nie mehr bewegen oder antworten. Martins Herz pochte vor Angst.
Er öffnete die zweite Paella-Dose, und Nancy schüttete das Reiswasser ab und gab den Reis zum Doseninhalt in die Pfanne. Danach ergriff sie spontan Martins Arm, küsste ihn auf die Wange und lächelte schüchtern. „Wir werden einen Weg finden“, sagte sie. „Ich bin sicher.“
Greg erschien in der Tür. „Scheiße, Nancy, das riecht gut. Wann essen wir?“ Sein Lächeln war total freundlich. Er nahm eine Bourbonflasche aus dem Hängeschrank, machte den Schraubverschluss auf.
„In etwa zehn Minuten“, sagte Nancy.
Er hielt ihr die Flasche hin und kratzte sich völlig unbewusst am Sack. „Willst du’n Schluck?“
Sie tat, als hätte sie nichts gesehen und sagte: „Danke.“ Ganz beiläufig nahm sie die Flasche, goss sich zwei Finger Whisky in ein Glas und gab etwas Leitungswasser hinzu. Sie war formell, ohne unhöflich zu
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