Jagdzeit
verbrachten.
Später hatte er ihnen Decken und Kissen gebracht, Martin angekettet, die letzte Glut im Kamin zusammengeschürt, ein letztes Scheit aufgelegt und war gegangen. Hatte die Schlafzimmertür diskret zugemacht. Nach ein paar Minuten war der Lichtspalt, der noch unter der Tür hervordrang, verschwunden.
Stumpf hatte Nancy zwei Betten gemacht, sich auf ihres gelegt und das Licht ausgeschaltet. Ken hatte Zigaretten dagelassen und sie rauchte. Bald würden sie da sein. Greg wahrscheinlich als Erster, dann Ken. Vor Art war sie heute Nacht sicher. Gottverdammt, wenn sie sie benutzen wollten, dann bitte schnell, damit es vorbei war.
Niemand kam.
Dann wurde Martin schlecht.
Jetzt kam er zurück, sank erschöpft auf seine Bank, zog die Decken hoch und zitterte völlig unkontrolliert. Sie setzte sich auf und legte ihm eine Hand auf die Stirn. Er fühlte sich kalt und feucht an. Nancy hüllte sich noch enger in ihre Decke und setzte sich neben ihn.
„Geht’s dir jetzt besser?“, flüsterte sie.
„Ja, meine Fresse, wie kann jemand dieses Zeug überhaupt trinken?“
Sie drückte ihre Zigarette aus, zündete sich eine neue an und versuchte, den Mut zu finden, ihm zu sagen, was sie sagen wollte. Die richtigen Worte wollten sich noch nicht finden, also sagte sie was anderes. „Das sind Flaschen zu neun Dollar.“ Sie wusste, das war eine blöde Bemerkung, aber sie musste mit irgendwas beginnen.
Sie hörte, wie er anders atmete, vielleicht war er irritiert. Schnell fuhr sie fort: „Ich meine damit nicht, dass der Bourbon deswegen gut ist, wenn du keinen Alkohol magst. Ich dachte bloß, wie viel Geld die haben. Reiche Leute schmeißen es einfach weg.“
„Wie viel hat das Abendessen gekostet?“, fragte Martin. Es war ein unangenehmer Unterton in seiner Stimme. Überrascht dachte Nancy: Er regt sich immer noch auf, weil ich gekocht habe, ist vielleicht sogar böse.
„Ich habe dir erklärt, warum ich gekocht habe“, sagte sie.
„Du hättest dich weigern können.“
„Das hätte nichts gebracht“, sagte sie. „Ich dachte, das hättest du verstanden. Ich habe versucht, es dir zu erklären.“ Die seltsame Kraft, die sie früher am Abend verspürt hatte, das Gefühl, die Lage akzeptiert und eine Entscheidung getroffen zu haben, war jetzt sogar noch stärker. Etwas war passiert. Sie war sich selbst fremd. Die Angst, mit Martin entdeckt zu werden, die brutale Unwirklichkeit von Eddie, ihrem Heim und ihren Kindern, irgendwie zählte das alles nicht mehr. Das alles hatte aufgehört, als sie auf dem Fluss durch den Wald hierher gefahren waren. In ihr war eine neue furchtlose Frau, die sie nicht kannte, eine, die es plötzlich leid war, defensiv und duckmäuserisch zu sein. Sie ging zurück zu ihrem eigenen Bett und setzte sich darauf, streckte den Rücken und kreuzte die Beine.
Sie hörte Martin wieder sprechen, mit leiser Stimme. Was er sagte, entging ihr, und dann hörte sie ihn weiterreden. „Drei Arschlöcher tauchen aus dem Nichts auf, kidnappen uns, schlagen mich zusammen, schleppen uns weg zu einer Bude gottweißwo in den nördlichen Wäldern, und du kochst ihnen ein Fünf-Sterne-Menü.“
Einfach unglaublich, dachte sie. Er machte nicht mal den Versuch, sie zu verstehen. Das erlaubte ihm sein Mannesstolz nicht. Und im selben Augenblick hatte sie den schrecklichen Verdacht, dass es nicht einmal Mannesstolz war, es war einfach nur kindisch. Er benahm sich wie ein verzogener kleiner Kacker. Dafür war aber jetzt keine Zeit.
Er machte weiter: „Du kochst ihnen nicht nur ein leckeres Essen, du setzt dich auch noch hin und trinkst mit ihnen.“ Nun schmollte er schon weniger. Es klang nach aufrichtiger Empörung. „Du hättest nicht auch noch trinken müssen!“ Einen Augenblick schwieg er. Dann fügte er hinzu: „Ich werd’ dir sagen, was passieren wird. Wenn du nicht aufpasst, wirst du noch vergewaltigt.“
Seine Stimme klang rachsüchtig. Nancy merkte, wie sie ein Lachen unterdrückte. Er wurde von Augenblick zu Augenblick immer unglaublicher, unwirklicher.
„Denkst du?“, fragte sie. „Du denkst, deswegen haben sie mich hier? Sex? Was hat dich denn zu dieser brillanten Schlussfolgerung gebracht?“ Wenn er rachsüchtig war, konnte sie wohl sarkastisch sein, bitteschön.
Er antwortete nicht, und plötzlich sprudelten die Worte, die sie vorher mühsam zu formulieren versucht hatte, einfach ungehindert hervor. „Und du?“, fragte sie. „Was haben sie mit dir vor? Die Bank?“ Sie machte
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