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Jage zwei Tiger

Titel: Jage zwei Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Hegemann
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Bewegungen das Wasser, wie nennt man das?, abschwächt natürlich! Ey Leute! Und dieser Mann lächelte sie an, sie sah ihm in die Augen, Cecile schwieg, denn sie fürchtete ihn – oh, wie sie ihn fürchtete in der Offenbarung dessen, was er durchlebt hatte, was sie selbst durchleben würde, wie recht er haben würde mit dem wenige Minuten später folgenden Satz: »Ich würde meiner Frau zum Geburtstag gerne ne It-Bag schenken, was sagst du dazu?«
    »Bist du verrückt, hast du ein Rad ab, ne It-Bag? Dafür wärst du in den Siebzigern gesteinigt worden!! Ne It-Bag?«
    »Ja, ne It-Bag!!«
    »Ich fass es nicht!! Hast du mir nicht gerade von deiner damaligen Klassenkameradin Gitte Hoppe erzählt, die angeblich so was sagte wie, Geld ist eigentlich gar nicht so schlecht oder so? Das war doch superpeinlich. Die hatte nämlich die Rules noch nicht begriffen!!!!!«
    Und als es hell wurde, lagen Cecile und der Galerist auf einer parkähnlichen Anordnung verschiedener Grünflächen hinter dem Biotop, mit imaginiertem Blick auf die Ozeanküste Tansanias, und fummelten ernsthaft aneinander rum. In 500 Meter Entfernung hatten die Motorhaubenteenager gerade LSD genommen. Jetzt versuchten sie sich nackt in eine der Schafherden zu integrieren und schrien gelegentlich: »Wir sind alle Schafe! Wir sind alle Sterne! Wir sind alle so krass connected!«
    Der Galerist war sehr wild darauf, von Cecile als erwachsener, erfahrener und in erster Linie an ihrer eigenen Befriedigung interessierter Gentleman wahrgenommen zu werden. Das machte alles noch schlimmer. Sie tat so, als sei sie abgeklärt genug, um ihn super zu finden, und ließ sich nach dem schrecklichsten aller Sätze (»Bleib einfach liegen und halt still.«) auf dem Bauch im Gras liegend ficken. Als er fertig war, lachte sie, er lachte auch, ihre von der Erde verdreckten Klamotten verschafften ihr ein stechendes Gefühl von Unehrenhaftigkeit. Er brachte sie in einem gemieteten Landrover in die Nähe des Hotels, in dem Gloria bereits schlief, und nahm während einer unausgegorenen Verabschiedungsgeste den Anruf seiner Frau entgegen, die sich gerade das kobaltblaue Kleid übergezogen und in Würde hingenommen hatte, dass ihr Mann nicht nach Hause gekommen war.

 
     
    7
     
    Als Cecile das Hotelzimmer betrat, ging es ihr naheliegenderweise scheiße. Ihr Problem bestand nicht darin, penetriert bzw. benutzt worden zu sein – sondern in Komplexen, klassischerweise hervorgerufen durch eine jemand Fremdem gegenüber ausgespielte übertriebene Offenheit. Dieser Fick hatte an eine Vergewaltigung gegrenzt, der sie aus Verlegenheit zugestimmt hatte, demnach also Asche auf ihr eigenes Haupt, verdammt. Sie legte sich angezogen zu Gloria ins Bett und nahm die Hand ihrer Mutter auf eine Weise, die am nächsten Morgen so interpretiert werden konnte, als hätte sie zufällig im Schlaf danach gegriffen.
     
    Der Flug nach Hamburg dauerte jedenfalls anderthalb Stunden. Bei der Gepäckausgabe fragte Gloria Cecile, ob sie zurück ins Internat oder sich das neue Haus angucken wolle. Cecile fiel auf, dass sie ihre Eltern seit achtzehn Monaten nicht besucht hatte. Sie waren inzwischen umgezogen. Sie selbst hatte Herbstferien und in der ihrer Schule nahe gelegenen mittelgroßen Stadt eine Gruppe von emotionale Bindekräfte aufweisenden Individuen abrufbereit am Start (d.h. soziale Strukturen, gescheiterte Liebesbeziehungen und ein holzvertäfeltes Doppelzimmer). Sie hatte nicht mal ansatzweise in Betracht gezogen, zu ihren Eltern zu fahren. Sie war komplett aus dem Konzept geworfen und hätte gestottert, hätte sie geantwortet. Sie antwortete nicht, sondern lief schweigend neben Gloria die Flughafenhallen entlang bis zu einem Ausgang, an dem beide stehen blieben. Er führte zum Taxistand. Die Rolltreppen zum Bahnhof, von dem aus ein Regionalexpress zurück ins Internat fahren würde, befanden sich einige Meter weiter hinten.
    »Wie gesagt, du kannst gerne mitfahren«, sagte Gloria, und sie wirkte, als meinte sie es ernst. Cecile brach fast zusammen vor mit Koksdepression gekoppelter schmerzhafter Entscheidungsunfähigkeit, und wäre sie fähig gewesen, vor ihrer Mutter zu weinen, hätte sie definitiv damit angefangen, als sie den extrem lässig rüberkommenden Satz: »Ach, total nett, aber ich hab da im Internat so ein paar Verabredungen«, hervorpresste.
    Gloria umarmte sie, sehr herzlich, und blieb so lange an der Tür stehen, bis Cecile und ihre Tasche an den Rolltreppen angekommen und außer

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