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Jage zwei Tiger

Titel: Jage zwei Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Hegemann
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Dreadlockkiffer. Der eine so ein bisschen puerto-ricanisch, dann ein ganz blonder Isländer, wunderschönes Gesicht, wie gezeichnet, ein Pole, der den Arsch voller sogenanntem Feuer hatte, und noch ein Mädchen, das hieß allen Ernstes Flavienne und studiert inzwischen Tiermedizin, glaub ich, war aber damals voll das Hippiegirl und sagte oft so Dinge wie ›Tierversuche sind aber auch schlimm‹. Aram saß in der Mitte am Küchentisch, schön bis zum Get-no, Hochleistungssportler, und ich dann so: Hi. Und alle so: Heeey, bist du Julia? Und ich wie gesagt einfach nur: Hi. Und dann bin ich eingezogen, innerhalb der nächsten zwanzig Sekunden in die ekelhafteste Bruchbude, die man sich vorstellen kann, mit drei Meter tiefen Löchern im Dielenboden.«
    Julia hatte schon immer zu Übertreibungen geneigt.
     
    »Niemand von uns hatte ein Auto, aber irgendeiner zumindest immer Zugriff auf eins, und irgendwann beschlossen wir aus nem mir heute nicht mehr nachvollziehbaren Grund, hierherzufahren, nach Worms, Aram und Mike sind hier aufgewachsen, und wir versuchten dann auf der Fahrt mit nur einer Tankfüllung hinzukommen, was theoretisch gar nicht geht, aber mit Motor ausschalten und so dann doch. Dann holten wir die alten Kumpels der beiden ab, aus deren ganzen Wormser WG s, ich war zu aufgeregt, um abgeturnt zu sein, der Wagen plötzlich vollgeladen mit vielen Idioten, und Aram hatte bereits stillschweigend Tausende von Joints gerollt und gab die gerade so nach hinten. Und dann machte er geile Musik an, sehr deepen Techno, und wir fuhren nach Mainz in ein Jugendzentrum, wo ne befreundete Band von irgendwem spielte, also Jugendzentrum nicht im Sinne von spießig, sondern eher Festivalalarm. Und, ähm, weil Aram halt gekifft hatte und ich total straight war zu dem Zeitpunkt und so meinte: ›Nein, nein, mit Menschen unter Drogen fahre ich kein Auto‹, sagte er: ›Tja, dann fahr du halt.‹ Das Geile war, dieser Wagen war so groß, dass ich kaum übers Steuer gucken konnte. Und ich kannte weder das Auto noch die Leute noch die Stadt noch sonst irgendwas, aber ich fuhr, weil, da war ich mir sicher, ich war nüchtern. Ich fuhr und fuhr dieses Auto durch die Gegend, und wir kamen an, und ich schwör dir, die ganze Straße war enger vollgeparkt als jede andere auf dieser Welt und ich mit dieser Riesenraumschiffschüssel und die ganzen coolen Typen hintendrin. Und dann gab es original eine einzige Parklücke. Und die war klein.
    Ich so: Julia, du kannst einparken, jetzt park einfach ein. Und dann so eingeparkt. Und dann so Stille im Auto und ich so ›yes‹. Und alle so: ›Ja, nicht schlecht.‹
    Wir stiegen aus, gingen in dieses Ding rein, und alle haben getanzt und sich fantastisch amüsiert. Nur Aram natürlich nicht, der stand an der Seite und war so ›Nö, isch tanz nicht‹. Woraufhin ich dachte: Ey, der Typ ist richtig cool, der tanzt nicht. Und da sah ich irgendwie seine sich unter seinem T -Shirt abzeichnenden Rückenmuskeln, die sich voll bewegten, während er lief, was mich erst mal sehr verstörte.
    Zwei Wochen später sind wir jedenfalls alle zusammengezogen. Zu zehnt, in Worms, ich meine, what the fuck, aber es ist völlig in Ordnung hier. In so eine Musterhaussiedlung, wo ein Haus war, das eigentlich hätte abgerissen werden sollen, weil es niemand gekauft hat und leicht marode und so, ist es auch immer noch leider. Unten gibt es zwei riesige Kellerräume, die Aram mit Licht ausgestattet hat, und da züchtet er jetzt. Aber so richtig Komplettplantage, du kommst in diesen Raum und denkst wow, Dschungel, irre heiß, feucht, voll hell, und die Pflanzen biegen sich so unter der Decke. Wir müssen nur aufpassen mit Strom und Wasserverbrauch, damit die Stadtwerke das nicht mitkriegen. Also ständig zusehen, dass der Garten halbwegs in Ordnung ist, damit man notfalls sagen kann, der ganze Scheiß sei für die Gartenbewässerung. Dieser Scheißhanf braucht tierisch viel Wasser, das ist wirklich nicht mehr feierlich.«
    »Ihr hättet doch so Thermen bauen können, zum Regenwassersammeln.«
    »Aber das wär schon ein bisschen zu complicated gewesen. Die Typen sind teilweise wirklich dümmlich, das kann ich leider nicht anders sagen. Aber sehr verantwortungsvoll, es ist reizend, mindestens einer von denen ist vorm Frühstück immer so: ›Äh, okay, ich geh dann mal runter.‹ Die haben das auch alles vom Feinsten fermentiert, mit Aufbereitungsraum, und die Heizungen laufen volle Kanne, und jeden Tag wird der Scheiß

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