Jage zwei Tiger
gepflegt. Und dann ist irgendwann Pauline eingezogen.«
»Pauline?«
»Ja, Pauline. Pauline ist mit offenem Rücken geboren worden und komplett behindi. Nicht geistig, aber körperlich, und zwar mega. Von der Hüfte an gelähmt und halt ein bisschen so zusammengestaucht. Ordentlich. Aber so alt wie wir und hatte keinen Bock mehr auf diese Behindertenheime und so. Bei uns war ein Zimmer frei im Erdgeschoss, und sie rief an und fragte, ob sie sich das angucken könnte. Mike, der Halbisländer, war am Telefon. Und sagte, irre stoned: ›Ja klar.‹ Wir saßen währenddessen alle im Wohnzimmer und guckten Naked Gun 1–3, und er leierte eben zehnmal hintereinander ins Telefon rein: ›Ja klar, kein Ding.‹
Und Pauline so: ›Ja, es gibt da ein Problem, also ich weiß nicht, vielleicht ist das für euch ein Problem. Ich sitz halt im Rollstuhl.‹
Und Mike dachte sehr lange nach und antwortete dann: ›Nö. Ist das für dich ein Problem?‹
Und sie so: ›Ähm, ja, also sollte das klappen mit dem Zimmer, wenn das funktioniert, dann bräuchte ich halt: barrierefrei. Das heißt keine Stufen und so. Habt ihr da irgendwie mich betreffende Stufen im Haus?‹
›Nö, das Zimmer ist ja im Erdgeschoss, also, nö.‹
Und Pauline so: ›Könntest du deine Mitbewohner mal fragen, ob das für die ein Problem ist?‹
Woraufhin wir die Frage ›Ey, hat wer ein Problem mitm Rollstuhlfahrer?‹ selbstverständlich alle verneinten. Am nächsten Tag klingelte das Telefon wieder, und Pauline sagte, sie stehe vor unserem Haus und da seien vier Treppenstufen zur Eingangstür, die, glaube ich, bis zu diesem Zeitpunkt keiner von uns je bemerkt hatte. Wir also raus und sie zu dritt hochgeschleppt und sie rollerte sofort in einer seltsamen Powermanier und irre schnell durch das komplette Erdgeschoss und guckte sich das alles an. Da müssten so Umbauten gemacht werden im Bad, sagte sie, und dann müssten noch so Umbauten gemacht werden in der Küche und dann müsste da so eine, also vom Wohnzimmer vorne, das gehe nicht mit einer Rampe, weil das sei ja zu steil und so, aber dann müsste halt ne Rampe in den Garten. Und Mike so: ›Weiß nicht, Jungs, ist dasn Problem? Also ich finde Rampe geil!‹
Und alle so: ›Yeah, Rampe is geil!‹
Und ich saß daneben und aß grad ein Nutellabrot und dachte, what?, fand Rampe dann aber auch total geil. Drei Tage später kamen ihre Eltern, ihr Vater fing an rumzuschrauben, die Jungs machten mit, und zwar voll, und sie sahen alle so gut aus, die hätten sofort ne Boygroup gründen können, und Pauline halt in ihrem Rollstuhl, und der Vater arbeitete und wir alle total bekifft mit freien Oberkörpern in gebatikten Festivalhosen. Völlig versifftes Erdgeschoss und der Vater so: ›O Gott, meine Tochter, egal, Hauptsache happy.‹ Die Umbauten wurden also vorgenommen, die Jungs fahren seitdem nur noch Skateboard im Erdgeschoss, und zwei Wochen später hatte Pauline sich eingelebt und Geburtstag und ihre Leute eingeladen, ihre Kumpels. Alles Komplettobehindis. Die irrsten Behinderungen, die ich alle noch nie zuvor gesehen hatte in meinem Leben. Ich komm halt rein ins Erdgeschoss, und 80 Quadratmeter waren voll mit Behinderten. Alexandra zum Beispiel, die war knapp eins zwanzig groß und hatte letztens auch ne Reportage auf arte über sich und ist seitdem relativ berühmt. Alexandra kam an und hopste aufs Sofa und nahm sich Apfelsaft und goss sich den so ein, und als ich fragte, ob ich ihr helfen könne, zickte sie mich direkt aufs Übelste an. Und dann ging ich rum und wollte mich vorstellen, die ganzen halbspastischen Hände wurden mir entgegengestreckt, und ich dachte: So, wie mach ich das jetzt. Einer hatte voll das geile Tourettesyndrom, sagte zur Begrüßung also ›Heeedasdl Hitler, Hi, ich bin ara--Fotze‹, und es dauerte nicht lange, da saßen alle, also die Behindis und wir Läufer, so wurden irgendwann die genannt, die nicht im Rollstuhl sitzen, um den Tisch herum beim Strippokerspielen, supergeiler Abend, in dessen Rahmen sich Pauline vor uns als das Partybabe schlechthin outete, das dann auch für die fünf Tage später folgende Sommerparty verantwortlich war, auf die ich hier eigentlich die ganze Zeit hinauswill. O Gott, Cecile, entschuldige, ich langweile dich zu Tode.«
»Nein, total geil, erzähl weiter.«
»Are you sure?«
»Erzähl einfach weiter, ich liebe das.«
»Okay. Sommerparty. Du weißt ja, ich bin der typische Fall von: um elf voll sein, sich irgendwo hinlegen und
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