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Jage zwei Tiger

Titel: Jage zwei Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Hegemann
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pennen und um sechs aufgeweckt werden und den Rest der Party nüchtern erleben und scheißverkatert. Wir jedenfalls tierisch gefeiert, völlig irre, es wurden so hässliche kleine Bastkörbchen rumgereicht, in dem einen waren Kondome und in das andere hatten alle Gäste ihre Drogen geschmissen, damit sich jeder ohne organisatorischen Aufwand das nehmen konnte, was er brauchte. Pauline hatte das alles bis ins kleinste Detail geplant, knutschte mit dem bestaussehenden Typen, der je in diesem Haus aufgekreuzt war, rum, und hatte im Erdgeschoss ja ihr eigenes Klo. Auf das setzte ich mich dann, weil zu faul, nach oben zu gehen. Hose runter. Und dann völlig lovelandmäßig gedacht: Wahnsinn, krass, so eine Party und wir alle so zusammen am Feiern, und ich sitz hier gerade in diesem eigentlich total spießigen Siedlungshaus, in dem aber die absolute Gegenveranstaltung stattfindet. Irre euphorisch dachte ich an all die vielen Freunde, und wie toll und befreit das alles zuging da draußen, und dann guck ich runter und stelle fest, dass ich komplett durch diesen Abstand gepisst habe.«
    »Durch den Abstand gepisst?«
    »Ja. Ich saß ja aufm Behindiklo. Und da ist doch der Abstand – die Klobrille ist doch so aufgebockt. Und wenn du dich hinsetzt und pinkelst, pinkelst du doch eigentlich genau schräg nach vorne, und zwar volle Kanne in meine anthrazitfarbene geile Hose rein. Die war completely nass. Und ich so: Scheiße, was mach ich denn jetzt. Zuerst setzte ich mich in die Dusche und versuchte die Hose irgendwie auszuwaschen und dachte dann aber: Ach weißte was, scheiß drauf. Hose wieder hochgezogen und jubelnd zurückgegangen und weitergefeiert, und am nächsten Tag stellte sich raus, dass es halt allen so ergangen war, alle hatten sich auf diesem Behindertenklo ihre Klamotten vollgepinkelt. Irgendwann ging ich ins Souterrain, weil unsere Zimmer im ersten Stock komplett verwüstet waren und unten wollten wir pennen, jemand hatte ein riesiges Matratzenlager aufgebaut. Arams Exfreundin war da, die hatte er zwei Jahre nicht gesehen, und außerdem noch Gerald, so ein Pfälzer, der immer irgendwie schon 75 Jahre alt gewesen war und abgekürzt einfach nur ›der Gerri‹ hieß. Und der Gerri hatte ganz viel Mitleid mit Arams Ex und hat sich rührend um sie gekümmert. Aram hat sich nicht so rührend um sie gekümmert, und Gerri kümmerte sich dann immer rührender um sie, und frühmorgens lagen wir dann da auf den Matratzen, links von uns das neu gefundene Pärchen Inga und Tommi, in der Mitte wir und rechts von uns Arams Exfreundin auf Gerri drauf.
    Und ich so: ›Sag mal, die ficken ja alle!‹ Und Aram so: ›Ja.‹ Und ich so: ›Oaah, scheiße.‹ Und dann meinte ich noch: ›Was machen wir denn jetzt? Aram, weißt du, was scheiße ist, wenn wir jetzt mitmachen, ist das so total die Orgie, und wenn nicht, dann ist es irgendwie auch scheiße. Vielleicht sollten wir einfach mitmachen, obwohl wir irre müde sind und pennen wollen.‹ ›Ja, find ich auch.‹ ›Dann sehen wir’s halt sportlich.‹ ›Ja, das tun wir.‹ Und dann haben wir’s halt sportlich gesehen. Und dann schien der Mond rein und wir sahen die ganze Zeit Gerris Arsch im Mondlicht. Und ich so: ›Sag mal, Aram, da hab ich gar nicht dran gedacht, wie ist das eigentlich für dich, wenn deine Exfreundin nebenan mit Gerri vögelt?‹ Und er antwortete: ›Na ja, eigentlich ist es mir egal, aber weißt du was, sie vögeln auf meiner Matratze.‹
    Woraufhin er wartete, bis die kamen, also er hat quasi den Schwung vom endgültigen Kommen abgewartet und sie im selben Moment von der Matratze runtergeworfen, irre dynamische Geste. Als sei das alles nicht schon bescheuert genug, schlief zu Füßen aller an dieser Orgie Beteiligten auch noch der geile DJ Jan, schnarchend. Ich stand auf und wollte aufs Klo gehen und dachte mir: Hä, was ist denn das für ein Krach da drin. Und dann stand im Klo Arams großer Bruder, Mitte dreißig, der immer ganz viel malt, mit drei nackten Tanten, er selbst natürlich ebenfalls nackt, und hat mit denen da drin gerade so Paintings veranstaltet.«
    »Was für Paintings?«
    »Keine Ahnung, die haben die Wände bemalt. Mit seinen beknackten Volltonfarben. Und ich so: ›Was isn hier los?‹ Und die so: ›Komm, Julia, mach mit, ist total schön.‹ Und ich so: Tür wieder zugemacht. Wie im Film. Der Typ lud sich halt immer irgendwelche Schnallen ein, so pseudobefreit, nach dem Motto: Komm, lass die Farbe wirken, ich mal dir mal den

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