Jahrestage 1: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl
gefangen. Mochte er doch sich belustigen über Kollmorgens vermeintliche Eigenheiten. So war es gerade recht.
Da hiermit das Erbe der Mutter des Kindes auf ihren eigenen Wunsch abgegolten ist, fällt bei Tod des Kindes das Überschriebene zunächst an die Mutter zurück, erst dann an den Vater, danach an den Überschreibenden. Der Vater als Verwalter ist nicht berechtigt, das Überschriebene zu beleihen oder hypothekarisch zu belasten. Von seinem Nießbrauch bestreitet er die Erhaltung von Gebäuden und Grundstück, entrichtet er sämtliche Steuern und kommunalen Umlagen. Der Besitz ist hinten und vorne und oben und unten gegen den Vater der Eigentümerin geschützt. So wollten die Herren es doch.
– Dor hefft wi nicks von: sagte Cresspahl ohne Bitterkeit, nicht weniger ruhig als Papenbrock die Bedingungen angehört hatte.
Papenbrock wuchtete sich in zwei Ansätzen aufrecht, um seinem Schwiegersohn ins Gesicht sehen zu können, nicht bloß überrascht, auch beleidigt. Er nannte in klagendem Ton die Summe, die er bisher für das Grundstück aufgewandt hatte, und zwar etwas aufgerundet, obwohl sämtliche Phasen des Kaufs durch die Praxis von Dr. Kollmorgen gelaufen waren. Avenarius in seinem Entzücken versuchte, Cresspahl nachzuschenken. In Cresspahls Glas fehlte nicht genug.
– Erhaltung: sagte Cresspahl. - So wo dat hängt un krüppt, dat kann de Wint.
Er verwahrte sich gar nicht, als Papenbrock mit notdürftig gezügeltem Eifer zu sprechen kam auf ein gewisses Konto bei der Surrey Bank of Richmond, er tat das mit einem beiläufigen Nicken ab, und nebenbei wurde Papenbrock klar, daß das Konto in der Tat so voll war wie Lisbeth gesagt hatte, womöglich noch voller inzwischen. Es brachte ihn zum Stolpern in seinen gedanklichen Entwürfen, und während des schwelgte Avenarius in der Gewißheit, daß Papenbrock auf die Sentimentalität der Verwandtschaft gehofft hatte. Er notierte sich diesen Fehler in seinem Kopf, rechts oberhalb seines fetten haarigen Ohres, zum späteren Auskosten. Er konnte sich nicht leisten, etwas vom Jetzigen zu versäumen. Er brauchte die beiden nicht aufeinander zu hetzen. Zuschauen, unschuldiges unabgelenktes Zuschauen, er fand es das Schönste. Papenbrock hatte so getan, als habe er seinem Schwiegersohn ein indirektes Geschenk machen wollen, um ihn nicht zu kränken, also über Cresspahls Tochter. Dieser Cresspahl aber schob die Verpflichtung vor, das Geschenk nach den Vorteilen für seine Tochter abzuklopfen. Besser hätte Avenarius es nicht ausdenken können. Er lehnte sich bescheiden zurück, zwang die Hände über seinem Bauch zusammen, ohne das Schaukeln auf den Ellenbogen aufzugeben, und wandte den Kopf von einem zum anderen, um ja keinen Schlag und Treffer zu versäumen. Am besten gefiel ihm, wie dieser … Cresspahl es anstellte. Er betrug sich nicht herausfordernd, so wie die Sache es erlaubt hätte, sondern langsam und gründlich, wie Jemand, der versprochen hatte, es zu überlegen. Nun war er fertig mit Überlegen. Papenbrock hatte sich gleich den Zettel gegrapscht, auf dem Cresspahl gerechnet hatte, und wurde so hin und her gerissen zwischen den Zahlen und dem Reden Cresspahls. Kollmorgen bedauerte das, denn so fühlte Papenbrock nicht die ganze Schärfe seines Mißerfolgs. Cresspahl hingegen konnte auch auswendig feststellen, daß das Grundstück gegenwärtig keinen erheblichen Handelswert besaß. Dennoch sei ein Verkauf immer noch die vernünftigere Lösung. Das Geld konnte auf einem Sperrkonto warten auf die Volljährigkeit des Kindes, am besten je zur Hälfte auf einem deutschen und einem britischen, um unterschiedliche Wirtschaftsentwicklungen abzufangen und um dem Bevollmächtigten den Nießbrauch und die Erfüllung seiner aus dem Geschenk erwachsenden Verpflichtungen zu erleichtern. So werde das Geschenk wenigstens keine zusätzlichen Kosten verursachen. Was das anging, so konnte dem Bevollmächtigten nicht daran liegen, seine Barmittel auf eine Sache zu wenden, über die ihm Verfügung nicht zugestanden war. So wie die Sache jetzt war, war sie keine. Da war von Erhaltung noch lange nicht zu reden, und desto länger von Wiederherstellung. Die Wiederherstellung sei Angelegenheit des Schenkenden, wollte er dem Kind im Ernst einen Gefallen erweisen. Sie sei aber auch im Belieben des Schenkenden. Es sei ihm unbenommen, ob er sie ausführen lassen wolle durch von ihm Beauftragte oder durch den gesetzlichen Vertreter des Kindes; jedenfalls geschehe sie auf seine
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