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Jahrestage 1: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Jahrestage 1: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 1: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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frei heraus sagen, daß sie an Cresspahl noch keinen Pfennig verdient haben. Macht der alles selber. Kann der alles selber. Tätest du auch. Täte ich auch. Und es war ja nun nicht so, daß er auf dem Geld saß, weil er es nicht hatte. Käthe Klupsch wußte für sicher, daß die junge Frau Cresspahl in Schwerin in der Königstraße einen elektrischen Kühlschrank angesehen hatte. »Santo« hießen die Dinger, sechs Grad hielten die. Käthe Klupsch war ja man bloß neidisch; der fehlte der Mann, den sie nicht abgekriegt hatte. Immerhin, daß Methfessel einen Kühlschrank brauchte, das war einzusehen. Aber sogar Louise Papenbrock kam ohne einen aus. Cresspahl schaffte das Ding wohl an seiner Frau zuliebe. Nächstens kommt dann die eigene Frau und will auch solche englischen Sitten! Davon ab, der Mensch hatte bisher mehr Arbeit in seine Werkstatt gesteckt als in das Wohnhaus. Der wollte den Leuten nicht zeigen, was er in diesen aasigen Zeiten, ich meine das wirtschaftlich! was er für Geld hatte, sondern daß er Aufträge brauchte. Und Else hat es versucht und hat ihm den Nähschrank von ihrer Tante, so ein Erbstück, hat sie ihm gegeben, war ja nich mehr viel an. Nich um Cresspahl eine Hilfe zu geben, aus Neugier eben. Und er kommt an mit Semig sein Pritschenauto und trägt ihn ihr ins Haus und sie denkt, sie fällt auf den Rücken! war ein Schmuckstück geworden! wenn du den im Schaufenster siehst, tut es dir glatt leid, daß du ihn nicht bezahlen könntest. Was Cresspahl genommen hat? ach das war so ganz ebenmäßig. Das ging. Aber daß er die Aufträge ins Haus liefert! Das war ja direkt unlauter; stell dir vor, ich geh in jedes Haus und liefere die heilen Schuhe ab! verdirbt geradezu die guten Sitten. Aber die Kisten, das mußt du zugeben, die er für den Umzug gemacht hat, die hätte er so verkaufen können, wie sie im Frachtraum auf dem Bahnhof standen. Schöne Dinger. Stellst du dir glatt in deine gute Stube. Streichst sie an und stellst sie in deine gute Stube. Will dir was sagen, die streicht Cresspahl dir an und nimmt zehn Mark un denn stellt er sie dir in deine gute Stube.
    Sturer Hund, dieser Cresspahl. So was Heimliches, was der Mann an sich hat! Kaum hörst du überhaupt, daß seine Möbel aus England angekommen sind, und schon hat Swenson sie zu Cresspahl gefahren, und zwar in einem geschlossenen Lastwagen, und das an einem sonnigen Tag im April! Wird Cresspahl so bestellt haben. Aber einen Elektriker hatte er ja nun doch ins Haus lassen müssen, und es ist Johannes Schmidt wohl zu gönnen, aber er hätte sich besser umsehen dürfen. Kommt zurück und sagt, die Wände sind einfach weiß angestrichen und Cresspahl denkt wohl für später an Tapeten und die Möbel sind bißchen glatt und es is ebn noch nich eingewohnt. Johannes hat wohl keine Augen im Kopf. Und eines harmlosen Morgens im Mai kommt Lisbeth aus Papenbrocks Haus zusammen mit Cresspahl, Cresspahl hat das Kind auffem Arm und seine Sonntagssachen an, und diesmal gehen sie doch durch die Stadt-, ich sage durch die Stadt, nicht Stadtstraße, sonst hätt ich ja wohl Adolf Hitler-Straße sagen sollen, und mittags ist sie immer noch nicht zurück und das Kind ist nicht zurück und das ist alles, was du von dem Umzug gesehen hast! Jetzt wohnen sie da. Jetzt ist er da.
    Und es hieß, daß er das allein getan hatte, ohne die Hilfe Papenbrocks. Papenbrock hatte ganz andere Sachen um den Kopf. Denn weißt du wohl, was Hilde Papenbrock, Hilde Paepcke, zu Weihnachten und zur Geburt ihres Kindes schenkgekricht hat? Jawohl, die Pacht der Ziegelei. Siehst du wohl. Es ist ein Papenbrock und sorget für seine Kinder. Er ist uns eben doch über. Das hat kein Schwanz gewußt, daß die Ziegeleipacht ausläuft, und wenn andere Leute in die Luft kuckn, fährt Papenbrock zu Besuch und redet sich das zurecht wie er es braucht. Paepcke, Hildes Mann, der hatte ja wohl was angestellt. Wenn sie einen nich einsperren, dann war nichts. Na, wart du man. Wart du man, bis die Ziegelei auch in Jerichow brennt. Ich hab gar nichts gesagt. Ich hab nich gehört, daß er was gesagt hat. Heil Hitler. Hau bloß ab du. Und manchmal tat Papenbrock solche Dinge aus reinem Spaßvergnügen, das kannstu ab. Es kam zwar immer etwas dabei heraus auf seiner Seite der Rechnung, aber die Gasleitung unterm Ziegeleiweg, die hätte er im nächsten Jahr bekommen, ohne sich so anzustrengen. Das hatte er nur getan, damit Friedrich Jansen Bescheid weiß, wo es lang geht, daß er Bürgermeister sein kann

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