Jahrestage 1: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl
verstehen. Als er an den alten Herd im Wohnhaus gehen wollte und ihn abreißen, hatte sie ihn behalten wollen. Sie stritt ab, daß sie sich ein Kochen mit Gas gewünscht hatte. Sie konnte so krause Dinge sagen: Wenn wir nicht in England sind, wollen wir es nicht haben wie in England. Er mochte das nicht, es war nicht deutlich. Tat es ihr nun leid, daß sie die Familie aus England herausgezogen hatte? War sie nun damit zufrieden? Jetzt hatten sie Gas im Haus und benutzten es für nichts als den Antrieb eines Kühlschranks.
Daß Lisbeth ihm wieder sagen würde, was sie in ihren Gedanken hin und her schob. Sie konnte ihr Gesicht so verschließen, es sah wütend aus, und war nicht erreichbar. Und sie hatte sich angewöhnt, vor dem Herd zu stehen und für Minuten in die Flammen zu starren. Es war ihm nicht um das Holz, das in den offenen Brennstellen vergeudet wurde; es war, daß sie offenbar nicht wußte, warum sie das tat, nicht einmal wenn und daß sie es tat. Wenn er in die Küche kam, bewegte sie sich wie eine Aufwachende. Sie schrak auf, stellte den Wasserkessel (den sie die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte) auf das Feuer und wandte sich Cresspahl zu mit einem kleinen Kopfschütteln und Lächeln, das ihre eigene Aufführung tadeln sollte.
Dies Lächeln wünschte er sich, bei einer anderen, bei allen anderen Gelegenheiten, nicht am Feuer. Er wünschte sich, sie wäre immer so, wie wenn sie Hilde als die jüngere Schwester aber die erfahrenere Mutter Ratschläge für die Behandlung von deren Gör Ulrike gab. Es war so ein lustiges Wesen, das vom Spott nur die Form benutzte und so sogar Dinge zu verstehen gab, die man nicht aussprechen kann.
Er wünschte sich, daß sie ihre Empfindlichkeit wieder aufgab. Ein hart abgesetzter Wassereimer, eine vom Wind ins Schloß geworfene Tür, und sie betrug sich, als sei auf sie geschossen worden. Wenn sie einen Blick für unfreundlich ansah, so blieb es für sie ein unfreundlicher Blick, da halfen keine Tröstungen, die Tröstungen wies sie zurück. Sie brauchte dann halbe Tage, sich zu fangen. Und nun waren sie so nahe an die Kirche gezogen, wie man einer Kirche kommen kann, und das Beten schien ihr nicht zu helfen. Er wünschte sich das Mädchen, das er hatte heiraten wollen ohne nachzudenken.
Menich Man lude synghet,
Wen Me em de Brut bringet.
Weste he, wat men em brochte,
Dat he wol wenen mochte.
Daß es gut würde.
Cresspahl wünschte sich, daß er bald wieder so weit war, daß er von eingenommenem Geld leben konnte, statt vom zurückgelegten. Er brauchte auch neue Maschinen. Von Heinz Zoll hatte er übernommen eine Fräsmaschine, eine kombinierte Dicktenhobel- und Abrichthobelmaschine, eine Bandsäge, eine Langlochbohrmaschine, eine Kreissäge, alle in einem Zustand, daß er tatsächlich nur über die Hobelmaschine ein freundliches Wort sagen mochte. Und es war nicht billig gewesen. Und er konnte die Maschinen nicht ausnutzen. Wer bestellt sich im Jahr 1934 in Jerichow ein Schlafzimmer, einen Eßtisch. Eine Trittleiter, wenn es hoch kam. Und dieser Kliefoth aus Malchow hatte doch tatsächlich gemeint, ein Schreibtisch sei nur in Wismar zu kriegen. Er hätte dem wohl einen Schreibtisch machen mögen. Andererseits, zu happig durften die Aufträge auch nicht einkommen, denn der Geselle arbeitete nicht wie Cresspahl das kannte, von den Lehrlingen konnte er nicht viel verlangen. Und es war nicht zu glauben, aber finde mal einen guten Tischlergesellen. Meister kannst du haben so viele du nehmen willst, aber Meister unter einem Meister, das ist auch nichts, Mensch. Manchmal wünschte er sich in Gedanken Mr. Smith nach Jerichow. Der war zwar manchmal morgens etwas dumpf im Kopf gewesen von seinem Gin oder Wermut, aber wenn er sich den Alkohol ausgeschwitzt hatte, lief die Arbeit unter seinen Händen wie von selbst, und man brauchte sie auch nicht nachzusehen, geschweige denn nachbessern.
Er konnte nicht wünschen, einen großen Namen in Mecklenburg zu kriegen. Er konnte nicht hoffen auf eine solche Tischlerei wie Kröpelin in Bützow, Strobelberger in Rostock, Schmidt in Güstrow, Liesberg in Schwerin, im Umsatz nicht und im Ansehen nicht. Das trug der Winkel nicht. Er würde noch lange Möbel bauen müssen in der Art, wie sie die Warenhäuser anboten. Nichts von Kunst im Tischlern, nicht in Sicht. Er wünschte sich nur, heil durchzukommen in diesem Deutschland.
Er wünschte sich, Papenbrock möchte seine Louise zu Hause halten. Wenn sie wenigstens wegen des Kindes
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