Jahrestage 1: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl
wir für alle gewünscht haben. Aber Creutzens müssen an ihr Geschäft denken. - Die beiden anderen liegen in der Mittagssonne: schrieb Emmy Creutz: da hält Efeu sich nicht. Efeu ist nicht viel Arbeit nachzusagen.
Die New York Times berichtet, zu Ehren der sowjetischen Revolution, über die Auswirkung der Säuberung, die Stalin unter seinen Genossen durch Beria und Alexander N. Poskrebyshew anstellen ließ. Poskrebyshew war zuverlässig. Auch gegen die Erschießung seiner Frau, eines langjährigen Parteimitglieds, unternahm er nichts.
Unsere Mehrleistungen aus dem Rechnungsjahr 1966/1967 will Emmy Creutz zum Teil mit der Anpflanzung von Stiefmütterchen abgegolten haben (damit doch immer was Blühendes auf einem Grab ist, Frau Cresspahl). Die hält das für einen Garten. Für den Restbetrag, und im Vorgriff auf das Konto 1968/1969 erbittet sie eine Erweiterung der Sachleistungen.
General Poskrebyshew starb seinen eigenen Tod im Herbst vorigen Jahres, umhegt im Krankenhaus des Kreml. Seine Erinnerung war ungetrübt. Dort erzählte er eine Geschichte über seinen Freund Beria. - Sitzt jener Verdiente Genosse noch: wurde Beria gefragt. Beria grinste. - Ne: sagte er. - Der sitzt nicht mehr. Der liegt flach auf dem Fußboden. Beim Vortragen dieser Anekdote brach General Poskrebyshew ebenfalls in brüllendes Gelächter aus.
Emmy Creutz wünscht sich als Honorar 1 Herrenpullover (Silastik) mit Rollkragen in Weinrot, Größe 48-50, 1 bügelfreies Oberhemd, Größe 43, und 1 Herrenanorak Größe 56, Nylon, gefüttert, nicht so kurz, die Farbe wie Sie denken, Frau Cresspahl. Von diesen Waren kann Emmy Creutz nur aus der Werbung im westdeutschen Fernsehen erfahren haben.
Nach einem anderen Opfer gefragt, verzog General Poskrebyshew das Gesicht und sagte: Muß erschossen worden sein. Mit dem Einsatz von Gift haben wir erst 1940 angefangen, oder so in der Drehe.
Das kostet uns den Vormittag des Sonnabend in den Warenhäusern um den Herald Square. Dann müssen wir das Paket an Ite Milenius in Lübeck schicken, damit Emmy Creutz der Zoll für Sendungen aus den U. S. A. erspart bleibt. Ite Milenius muß amtliche Bescheinigungen über Desinfektion beschaffen, sonst werden Textilien zu Gunsten der Deutschen Demokratischen Republik eingezogen. Ite Milenius soll die Sachen auf drei Päckchen nach Jerichow verteilen, an Emmy, Erich und Jürgen Creutz, da die Deutsche Demokratische Republik nicht drei Kleidungsstücke in einer Sendung erlaubt. Dafür wird nun Ite Milenius ihrerseits einen Wunschzettel über Weihnachtsgeschenke bei uns einreichen.
In Darmstadt wurde gestern der Prozeß eröffnet gegen 11 Angehörige des S. S.-Sonderkommandos A 4, die 1941 an der Ermordung von etwa 80 000 Sowjetbürgern, darunter 70 000 Juden, beteiligt waren. In Kiew trieben sie 33 771 Männer und Frauen und Kinder an den Rand der Schlucht Babi Jar, erschossen sie und stießen sie hinunter in weniger als 36 Stunden.
Wer wird denn nun den weinroten Pullover tragen, Creutz mit seinen einundsiebzig Jahren, oder Jürgen, stellvertretender Befehlshaber im Militärbezirk Schwerin, Offizier der ostdeutschen Armee und Gegner des westdeutschen Werbefernsehens? Womöglich will er das zur Ausgehuniform anziehen.
Im Juli waren noch 72 Prozent der Öffentlichkeit in den U. S. A. für die Fortsetzung des Krieges in Viet Nam, im August noch 61 Prozent. Jetzt sind es noch 58 vom Hundert.
Amalie Creutz, die erste Frau, erhängte sich im Oktober 1945 in ihrem Schlafzimmer. Sie tat es am hellichten Tag, zur Mittagszeit, vielleicht in der Hoffnung, sie würde noch rechtzeitig gefunden von den beiden Arbeitern, für die sie zu kochen hatte. Sie war im dritten Monat schwanger, von irgend einem der elf Sowjetsoldaten, die sie im Gräfinnenwald vergewaltigt hatten. Das Gesuch des Bürgermeisters Cresspahl um eine Abtreibung wurde im Krankenhaus von Gneez und im Gesundheitsamt Schwerin zurückgewiesen. (Und Cresspahl wurde von der Spionageabwehr der Roten Armee in Haft genommen.) Nun hatte Amalie Creutz Angst vor ihrem Mann, der noch in französischer Gefangenschaft lebte. Sie hatte Angst vor der öffentlichen Meinung Jerichows, die Creutz hindern würde, ihr zu glauben. Begraben helfen hat sie Jakobs Mutter. 1950 nahm Creutz eine seiner Arbeiterinnen zur Frau, Emmy Burbach aus Reichenberg in Schlesien, Witwe. Sie war zwölf Jahre jünger als er, und anfangs war er froh, daß sie ihm die Geschäftsführung abnahm. Früher setzte er über ihre Rechnungsbriefe an
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