Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
Vom Netzwerk:
für den Fall des Ungehorsams.
    Vom Tag war nicht dessen Abend sondern der vom Freitag übrig, an dem eine Platane im Riverside Park Ast für Ast zersägt war. Der Motor klang wie der eines leichten Motorrades und reichte für die Traumflucht mit heimlicher Reise am Nebel des Flusses entlang. Nun aber fehlt eine Stelle: Der Baum, und nicht der Baum, sondern seine Wiederholung.
    Wie oft noch werde ich gefahren werden in dem Bergwerk, das unter der Stadt New York für die Ubahn aus dem Felsen geschlagen ist, und zwischen den Stempeln, den Waldstämmen ankommen an dem Ort und der Station 96. Straße und Broadway?
    Wann wird Marie festgehalten sein in der Wiederholung?
    Wie oft noch einmal?

26. März, 1968 Dienstag
    De Rosny, das Ideal eines Mannes in den diesseitigen Zeiten.
    Die Ostdeutschen und die Sowjets bieten der neuen Č. S. S. R. einen großen Kredit an, damit nicht die Westdeutschen ihn geben können, und zwar in der Form eines Ultimatums.
    De Rosny am Telefon, mit behaglich lockeren Stimmbändern: Gute Nachrichten finde ich das! Was soll denn da für ein Ofen aus sein, Mrs. Cresspahl? Wir machen weiter!
    Es ist nicht eigentlich das Machen, das er besorgt.
    Er kann den Anblick eines Unternehmens schlicht vorschreiben: er sieht es von oben.
    Sein erster Verteidigungsriegel ist: Die Westdeutschen würden für ihr hartes Geld von der Č. S. S. R. die Aufnahme diplomatischer Beziehungen verlangen. Jedoch de Rosny ist de Rosny, und alle Beziehungen zu ihm sind diplomatischer Natur.
    Seine Hauptkampflinie ist: die Wirtschaft der Č. S. S. R. braucht nicht das weiche Geld des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe, sondern solches aus dem Gebiet des Dollars. In dessen Reich jedoch ist er einer der Kurfürsten. Es wird gegen seinen Willen nicht gleich etwas geschehen.
    Schläft gut. Ist im Aufwachen unverzüglich anwesend, ohne Sehnsucht nach den schützenden Meilen des Traums. Schlaf ist ihm die Pause zwischen den Kämpfen; Träume sind Defekte, die er reparieren läßt. Er läßt sich in den Tag fallen wie in kaltes Wasser, einverstanden. Wohlig unter der Massage. Verbreitet Freundlichkeit um sich, damit das Personal sie ihm zurückgibt. Wohlig allein mit der ersten Mahlzeit, den im Schlaf wundersam gewachsenen, verzweigten, knospenöffnenden Plänen.
    Ungeduld mit Vorfreude. Mit einem Hubschrauber käme er von Connecticut in die Stadt New York! mag nur nicht ein Leben wie das seine ins statistische Risiko setzen. Ein Spiel wie sein Leben.
    Er weiß von anderen Arten. Allein im Auto mit seinem Mann Arthur, er unterhält sich mit dem Leben Arthurs, und der große schwarze Mann, würdig von den eingelernten Gesten der Ergebenheit und des langsamen Alterns, Arthur erzählt dem Chef die Krankheiten seiner Frau, die schulischen Fortschritte und Rückschläge seiner Kinder, von Festen und Streiten der Verwandtschaft. De Rosny sitzt Loge, sieht tief unten Kinder spielen.
    Mehr als zehn Jahre hat Arthur gespart, auf andere Belohnung von de Rosny gehofft als Bezahlung und Sozialversicherung. Dann bat er ihn um einen einzigen Hinweis auf heißgewordene Aktien.
    De Rosny erzählt den Vorfall mit Behagen. Es nähert sich ihm sein Chauffeur, de Rosny in herabgeneigter Stellung vermutend, und fragt ihn nach auf der Straße liegendem Gelde. Nach solchem Gelde bückt ein de Rosny sich nicht. (Er spricht nicht über Geld, er spricht mit dem Geld.)
    Wenn die Geschichte nicht so witzig ankommt wie er gewöhnt ist, setzt er hinzu: Konsequent habe er Arthur statt des erbetenen Tips eine Erhöhung des Gehalts gegeben. Der Nachsatz kommt so deutlich zu spät und gerufen, womöglich wäre eine Tatsache rascher zur Stelle gewesen.
    Warum sollte de Rosny nicht den Sowjets liefern für die Č. S. S. R.? Er hat seine Heimlichkeiten auch, bespricht sie mit wenigen Feinden, wie elegante Streiche aus der Schulzeit.
    Arthurs Arbeit mag Mensch Ärgere Dich Nicht sein, die von de Rosnys Untergebenen Schach, seine mag mit dem Pokern einige Formen gemein haben, unvergleichlich sind seine Einsätze.
    Und geht hin und verliert Tausende auf einen Sitz; ist nicht imstande, sich zu ärgern. Seine Wiederholungen sind ihm Erfahrungen; die Niederlagen geschehen ihm, damit Platz wird für Triumphe. Beide aber sind ihm das Gefühl, am Leben zu sein.
    Um Manieren muß er gar nicht besorgt sein; sie sind ihm eingezogen von der Tradition der Familie, den Privatschulen, den Universitäten. Selbst die Maschine, die ihm das Leben besorgt, unmerklich

Weitere Kostenlose Bücher