Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl
Laubengängen, fast alle 106 Hektar sind wir abspaziert, und weil wir nicht an ihm aufgewachsen sind, nicht einmal durch Nachbarschaft ein Recht hätten auf ihn, versuchten wir ihn zu erwerben durch Benutzung und durch Erforschung obendrein, wie nur je Zugezogene, Ausländer.
Vor hundert Jahren gab es den Park nicht, da fuhr nur Cornelius Vanderbilt seine Eisenbahn am Ufer des Hudson entlang, sieben Fernzüge am Tag in beiden Richtungen, dazu sieben Bummelzüge, die hielten auf jeder Station von der 30. Straße bis Poughkeepsie. Dann machten die Landbesitzer, die Martins, die deLanceys, die Stryckers sich stark für einen Park auf ihren Grundstücken, und die Stadt mußte ihnen Streifen nach Streifen abkaufen, für mehr als 6 Millionen Dollar. 1879 war die Innenkante des Parks fertig, eine bürgerliche Spielwiese, mit Reit- und Fahrradwegen, mit Tempelchen und lauschigen Ecken zum Rasten. Immer noch war der Fluß den Häusern näher als heute, mit Steinen von den Wasserschneisen der Catskills wurde er 1910 zurückgedrängt, noch weiter in den zwanziger Jahren mit den Felsstücken, die der Ubahn IND im Wege gewesen waren. Noch 1930 lag viel Grund wüst zwischen dem Park und den Eisenbahngleisen, erst 1937 wurden sie überbaut, versteckt in Hügeln nach der Natur, und 1940 sah der Park aus wie vor hundert Jahren vorgefunden, ein wenig zivilisiert mit scharfkantigen Wegen und Zeichen der Kunst, gründlich verkleidet als ursprüngliche Landschaft. Henry Hudsons Autobahn, verstellt mit Aufschüttungen und Hecken, scheint immer neu ein Wunder, wie mitgewachsen.
Im Sommer scheint der Park die Stätte eines beständigen Volksfestes, da sind wir Gäste. Die Bänke an der Uferpromenade sind dicht besetzt mit Ausflüglern aus den ärmeren Gebieten, Tennisspiele sind im Gange, Schachspieler sitzen rittlings auf den Bänken und erteilen Kiebitzen Unterricht, Leute mit der vorgestrigen Zeitung überm Gesicht schlafen wie in der eigenen Wohnung (die der Park sein mag), auf der Wiese an der 74. Straße lassen die Spaziergänger ihre Hunde laufen und bleiben gern stehen zu einem Gespräch über ihre Tiere, Picknicks breiten sich im Grase aus, halbnackte Kinder springen und kreischen unter den blitzenden kühlen Fontänen auf den Spielplätzen, jagen die Schaukeln, drängen sich um den Mann mit dem Eiskarren. Dauerläufer sind unterwegs, gegen zwei kam eine Radfahrer-Parade mit Luftballons vorbei. Im städtischen Yachthafen an der 79. Straße kann ein Kind sehen wie ein Boot aufgetakelt wird, an der 88. Straße stehen immer ähnliche Kunden mit Angeln und hoffen auf Fische von robuster Konstitution, sie fangen da einen jämmerlichen Aal von Zeit zu Zeit, und es genügt ihnen das Sportliche daran. Auf der Höhe welcher Straßen wir aber sind im Park, das sehen wir an den Zahlenplatten an den Laternenpfählen, PL 38310 entspricht der 83. Straße, und daß die Laternen entworfen sind von Henry Bacon, dem Erbauer des Lincoln-Denkmals in Washington, wir haben es nachgelesen, so sind wir hier zu Hause.
Der Park ist benutzbar, er hat die Vorliebe der Polizei gefunden. Dort fahren sie ihre Funkwagen auf zu Verschnaufpausen und Mannesworten, und in der warmen Jahreszeit stellen die Ordnungsmächte ihre Pferde in den tiefen Schatten des Gebüschs. Sie sind zu sehen, und Leute auf den Bänken müssen einander nicht bekannt sein, damit sie ein Gespräch anbieten. Das Bild des Parks scheint aus keinen anderen als friedlichen Vorgängen zusammengesetzt, und tatsächlich fühlen viele Anwohner des Riverside Drive eine Zusammengehörigkeit. Sie sind nach einem Ausmaß von Erziehung einander ähnlich, ihre Einkommen sind vergleichbar, sie sind nur in Ausnahmefällen nicht rosahäutig, sie schicken ihre Kinder in die gleichen Anstalten, sie haben gemeinsame Wohnbedingungen zu verteidigen, sie treten als Gruppe bei politischen und Elternversammlungen auf. Wer in dieser Gegend morgens mit einem Kind an der Hand auf den Bus wartet, kann fast sicher darauf vertrauen, von bloß Blickbekannten zur Schule oder zum Kindergarten mitgenommen zu werden, und der Busfahrer, dem gequetschten Stadtverkehr in den raschen Fluß des Riverside Drive entkommen, spricht mit den hier Zusteigenden wie mit einer Familie, die netter ist als andere.
Die dunkelhäutigen Besucher hingegen kommen aus Gegenden, in denen Parks nicht vorgesehen sind oder bei der Polizei weniger beliebt und nun zerstört, das Gras verdorrt und weggetreten, die spärlichen Bäume beschädigt und
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