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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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Frieden getraut, denn es war Sonntag, dann geht eine Familie spazieren. (Wenn ich auch an einem Sonntag geboren bin.) Die beiden haben, wie zwei Leute im Fernsehen, sich unterhalten darüber, ob es Immergrüne gibt im Park. ›Die Augen muß man offen halten‹, sagte D. E., und ich durfte gut denken, daß dies wieder einmal hinauslief auf getarnte Erziehung. Richtig, von der kleinen Weißbuche am Abhang der Stützmauer, gegenüber der 98. Straße, mußte ich noch lernen, daß die benutzt wurde für die Baumwände in den Gärten von Versailles. Wer nun die Augen offen hat, sieht neben dem Stamm ein Päckchen liegen, in Buntpapier mit Schleifen, das hätte der anständigste Mensch geklaut, so appetitlich sah das aus. Gib es auf. Wir werden ewig im Dustern tappen, wie er das dahin geschmuggelt hat. Ich hab mich hinter ihm gehalten, ein Wurf scheidet aus. Gib es auf. Es war dann so ein identification bracelet, ein Armband aus silberner Kette mit Schild, darauf steht mein Name und:
    A 2
    cde cD u E.
    Für wenn ich fremdes Blut brauche, weißt du. Bei einem Unfall. Das kann auch ein tschechoslowakischer Arzt lesen.
    Es ist dir klar, daß D. E. in eine Arztpraxis an der Park Avenue eingebrochen ist. Mindestens.
    Das dritte der guten Dinge war ein elektronischer Taschenrechner an der 100. Straße, an der Memorial Fountain (›Den heldenhaften Toten der Feuerwehr‹). Der glänzte von weit unterhalb der Tafel zum Ruhm der Pferde, die gestorben sind ›in the line of duty‹ (›im Dienst‹). Und du kennst doch Gesine, was die sich alles ausgedacht hat über Erziehung und Lernen, gerade die erlaubt mir dies Ding für die Schularbeiten, alle vier Grundrechenarten plus Prozent. (›Bei Radix hättest du mir was versprechen müssen.‹) Nur für zu Hause.
    Dieser Erichson hat da Alexander Paepcke nachgemacht. Das ist ein Onkel von Gesine (tot), der hat sich mal auf solche Künste verstanden. So viel wie ein Vater will D. E. nicht sein. Deswegen bin ich einverstanden.
    Dann kam noch ein Ding, aber es war das vierte, es zählt nicht mit. Das war eine Wohnung.
    Du denkst: eine Wohnung für das künftige Ehepaar Cresspahl-Erichson. Das auch. Auf der Höhe der Columbia-Universität, wo es so nach Paris aussieht, ein vierzehnter Stock am Riverside Drive, fünf Zimmer, darin gingen sie umher wie Leute, die im Busbahnhof noch Zeit haben bis zum Einsteigen. Für eines davon nehmen sie das Wort ›berliner‹. Selbstverständlich sind sie vorher heimlich da gewesen. Mehr weiß ich nicht.
    Denn in der Wohnung gibt es eine Tür, daran hing ein Papierbogen wie dieser, da ging es zu mir. Es ist eine Wohnung für mich, mit Schlössern, mit Riegel, mit eigenem Badezimmer, Wandschrankgang, mit Klimamaschine, Telefon, vierzig Meter über dem Riverside Drive, mit Blick über den Hudson, die Washington Bridge, den Palisades Amusement Park, das Ufer von New Jersey den ganzen Tag. Mir war, als fiele ich aus dem Fenster, so hat der offene Park mich angezogen. Unten das dichte Gewusel der Baumkronen entlang den Fahrbahnen, nicht so schütter wie in Westdeutschland ein Wald beim Anflug auf Rhein/Main Air Base. Dazwischen kam wie ein langes tapferes Tier der Bus Fünf herangekrochen, der hatte ein ganz sauberes Dach.
    Ich werde da eben ein bißchen mehr allein leben. Vorher waren wir zwei plus eins. In der neuen Wohnung gehört er zu Zwei, ich bin die Eins. Neue Mathematik. Mengenlehre.
    Abends, wenn er bei uns hin läuft und her mit seinen Reden, läuft sie ihm hinterher, bloß um keines seiner statements zu verpassen.
    Es ist aber auch so, daß sie ihm Zunder gibt. Die sowjetische Armee hat den Brief an die Tschechen und Slowaken nun auch noch unterschrieben. D. E. spricht dann von Luftlandetruppen, das verbittet sie sich. Das geht ganz rasch, oft verlieren sie mich: ›Nicht nach Ungarn!‹ Erichson: ›Für einen großen Teil der Amerikaner war der letzte Kriegsschauplatz der Pazifik …‹ Jetzt sollst du denken an Viet Nam. Sie aber bestreitet längst ›objektiv vergleichbare Funktionen der Macht‹, er ist ihr schon hinterher mit dem Begriff Masse.
    Offenbar gibt es in jener Wohnung noch ein Zimmer mit drei Fenstern auf den Fluß hinaus. Jetzt höre ich sie verhandeln, wer von ihnen das kriegt, keiner will es für sich. Nach ihren sechs Jahren Training, warum soll es anders ausgehen als gut?
    Liebe Anita, kommst du uns besuchen in Prag, oder habt ihr euch auch in der Č. S. S. R. unmöglich gemacht mit eurem Reisebüro? Wenn sie euch

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