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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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Freunde? Ein schwebendes Verfahren. Ein Schwager Cresspahls im Westen bei der Ministerialbürokratie? Im Unfrieden mit der Familie. Cresspahl selber in Haft, zuletzt in Fünfeichen? Mein Vater spricht davon als einer Überprüfung; Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser; ein LENIN -Wort. Vorzüglich, und nun ein STALIN -Wort! »Niemals in der Welt hat es eine so mächtige Partei wie unsere kommunistische Partei gegeben – und es wird sie auch nicht geben.« Ihre Zensur im Fach Gegenwartskunde, Fräulein Cresspahl? Eine Zwei. Mit der Kollegin Selbich werden wir diskutieren. / Bitte, den ersten Gedanken beim Anblick der Flugblätter! Sichtwerbung, wenn sie den Betrachter verärgert, ist auch schädlich. Eine Kritik an dem Gebrauch der Sichtwerbung, etwa weil für sie glattes Papier vorhanden ist, für Schulhefte nur holziges? Stoff reichlicher vorkommt für Spruchbänder als für Gebrauchstextilien? Ach wo; weil doch die Flugblätter das Licht auf der Eingangstreppe verdunkelten. Wieso Flugblätter, statt geklebte? wegen des Formats. Ihr zweiter Gedanke, ich darf Sie ersuchen. Die Anrede. »Jugendfreunde!« Nein, »F. D. J.-ler«. Wie Rad-ler, Sport-ler, immerhin. Es klinge für mecklenburgische Ohren vielleicht kindlich, oder süddeutsch. Die roten Radler von München? Nein; es seien doch Arten der Fortbewegung oder Leibesübungen zu unterscheiden von dem anspruchsvollen Namen einer Jugendorganisation, die … Bedenkenswert, höheren Ortes vorzutragen. Mal schnell der Geburtstag des Genossen J. W. Stalin? 21. Dezember 1879 neuen Stils; in Gori bei Tiflis, Georgien. Und wieso Rom, Italien? Weil es ein Rom gibt bei Parchim, an die vierhundert Seelen, Herr Revisor. / Die fortschreitende Dunkelheit gebietet, der Form zu genügen; zwei Herren und eine Dame allein beim Verhör. (– Hähä: meckerte der Mecklenburger.) Wenn eine Lampe eingeschaltet werden dürfte. Immer zu Diensten. Danke. Bitte recht freundlich; eine Zeugin werden wir beiziehen. Die Frau Direktor? Ach was, die kann das Telefon bedienen. Meine erste Vernehmung im Leben; wie anders der Traum als das Leben. Wir begrüßen nunmehr Frau Elise Bock; und Sie bringen uns Kaffee, Kollegin Selbich, aber fix. / Die Schülerin Gantlik. Mitglied der Klassengruppe F. D. J.; Mitarbeiterin beim Ortskommandanten der Roten Armee. Der Schüler Lockenvitz will sich verirrt haben in Berlin. In einer fremden Stadt. Soziale Herkunft des Schülers Lockenvitz. Irgend etwas Landwirtschaftliches in Preußisch Pommern. Die Einstellung dieses Jugendfreundes zur Politik der Regierung, seine Heimat an die Polen zu übergeben? An Volkspolen: ist die Redeweise von Lockenvitz. Jakob Abs, polizeilich gemeldet bei Cresspahl im Ziegeleiweg Jerichow, als Kurier mit Flugblättern aus Westberlin. Geklebten Anschlägen. Unterwegs auf der Eisenbahn mit Freifahrschein. Nach vorzüglichem Abschluß der Lokomotivführerschule Güstrow Meldung zu einem Lehrgang in Grundlagen der materialistischen Dialektik. Der dritte Grundsatz dieser Lehre? Der Umschlag. Das Privatleben des Eisenbahners Abs? Handball. Seine Pläne für die Zukunft? Das ist ein erwachsener Mensch; wie wird der sich bereden mit einem siebzehnjährigen Mädchen! / Die Schülerin Cresspahl erscheint zum Unterricht in weißer Bluse. Blauhemd nur zu festlichen Anlässen. Erscheint in der Schule mit Petticoat, schleppt Moden des verfallenden Empire ein. Ganz falsch, ein Petticoat ist ein Frauenunterrock. Hiermit wird die Unterstellung bedauert, die Jugendfreundin erscheine zum Unterricht im Unterrock. Aus Eitelkeit in einem weiten, leicht gesteiften Rock; geschneidert nach Abbildungen in der demokratischen Presse. Die Schülerin Gantlik ist evangelischer Neigungen überführt. Da habe sie es mit Max Planck; der Schülerin Cresspahl sei das physikalisch zu hoch gelegen. Planck; der auf die Rückseite des westdeutschen Zweimarkstückes geprägt ist? Nie westliches Geld in der Hand gehabt; nie gesehen; kein Stein; kein Bein. Eine Neigung von der Kollegin Selbich zu dem Abiturienten Sieboldt? Nur vom Hörensagen bekannt; bloß ein Anschein von Verliebtheit. Auf beiden Seiten? Die Frau Direktor sei zu jung, um Prüfungsnoten im Abitur zu beeinflussen. Die Frau Direktor scheint einen Piek zu haben auf irgend wen. Wenn ich nur wüßte warum. Hypothetisch, im Vertrauen? Auf sich selbst. Psychologie, wie? und nunmehr mal eben rasch den dritten Gedanken beim Blick auf die verbrecherischen Anschläge auf der Schulwand, auf Jugendfreunde der

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