Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl
getröstet über unsere eigenen. Ein Jahr später hatten wir uns zu schämen.
Dies »Dokument« war mir nicht neu … als Teil einer
Fotomontage,
die mich selber zeigt, wie ich, angeblich, im Frühling 1950 und zu Paris, den Stockholmer Aufruf unterschreibe. Ich trage bei dieser Gelegenheit einen Anzug, den ich zwar im Sommer 1949, nicht aber im Jahre 1950 mit nach Europa genommen. Auch die schwarze Trauer-Krawatte, die im Mai 1949 mir zuzulegen ich tragischen Anlaß hatte, sieht man im Bilde. Wie dieses zustande kam, ist mir weder erfindlich noch interessant. Was ich aber weiß, und was ich der Wahrheit gemäß gesagt habe, ist, daß ich meinen Namen nicht unter den Stockholmer Aufruf gesetzt.
© Katja Mann
Kreikemeyer und Konsorten, das waren deutsche Kommunisten im französischen Exil, interniert, Kreikemeyer nach einer von dem amerikanischen Unitarier Field geförderten Flucht im Jahre 1942 Leiter der illegalen K. P. D. in Marseille. Willi Kreikemeyer wurde sieben Jahre später eingesetzt als Öberster der Deutschen Reichsbahn, Jakobs Generaldirektor war das. Im Mai 1949 hatte er für seine Partei das Gesicht hingehalten, als die Eisenbahner in Westberlin streikten um eine Entlohnung in der Währung der Stadt, in der sie arbeiteten und ihr Brot kauften. Am 5. Mai versprach Willi K. ihnen eine Bezahlung in West, dann zog er seine Zusage zurück. Ein Toter bei den Zusammenstößen mit der Polizei, einige Verletzte gingen auf seine Kappe, die trug er für die Partei. Am 28. Mai versprach er eine Entlohnung in Westmark bis zu sechzig vom Hundert, auch: jegliche Rache zu unterlassen. Ende Juni brach er sein Wort abermals, auf daß seine Partei die Stirn bewahre, und verfügte für 380 Eisenbahnarbeiter die fristlose Entlassung oder Versetzung an Orte in der ostdeutschen Republik, deren Geld schon sie verschmäht hatten. Willi Kreikemeyer, Mitglied einer Partei und deren Verfassung, die ein Bekenntnis religiösen Glaubens zu achten vorgab, er versprach den Zeugen Jehovas zwölf Sonderzüge zu einem Treffen nach Berlin, Juli 1949, er nahm Geld für die Bestellung, dann setzte er die Fahrten ab; alles für seine Partei. Nun beschuldigte sie ihn seit Ende August, er habe dem amerikanischen Geheimdienst O. S. S. Adressen geliefert. Jakob lief bedripst umher im Sommer 1949; ein loyales Mitglied der F. D. J. wird dergleichen aufsagen an den Abenden für die Schulung; hätte ich interpelliert, er wär mir gekommen mit der Frage: Und in was für eine Schule gehst du, Gesine?
Als der Club der Carola Neher durch war mit ihr, habe ich bei D. E. einen Lebenslauf in Auftrag gegeben für Willi Kreikemeyer; all die drei Gelehrten mit ihrer Gewitztheit in Registern und Quellen und Querverweisen fanden keine Lebenserwartung für ihn seit dem August 1950.
Was den westdeutschen Bundeskanzler anging, so wies uns Bettina Selbich hin auf die erhellende Ähnlichkeit seines Namens mit dem des Präsidenten der Columbia-Universität, Oberbefehlshaber der Streitkräfte im nordatlantischen Vertrag seit 1950. Eisenhower – Adenower. Gegenwartskunde.
Was den Präsidenten der Nordamerikaner anging, so sollten wir an Harry S. Truman belächeln, daß er mit seiner mittleren Initiale einen Anspruch auf amerikanische Dignität betrügerisch vortäusche, weil das S für sich allein stehe statt für einen Namen; auch die frühere Tätigkeit Trumans als Verkäufer von Schlipsen und sonstigem Herrenbedarf, wir sollten es anführen als einen Beweis für seine Minderwertigkeit. Gegenwartskunde.
Am 13. Oktober 1950 wurde in der ostdeutschen Republik zu einem ersten Mal der »Tag der Aktivisten« begangen, da bekam Elise Bock den Titel »Verdiente Aktivistin«, auch eine hübsche Zuwendung an Geld. Ein letzter Gruß vom Dreifachen J, der durfte nun nach Hause. Die Verwaltung von Gneez war der Einheitspartei übergeben; sein Nachfolger war ein Militärkommandant, der zog aus der Stadt in die Wälder am Smoekbarg.
Am 15. August bestellte die Regierung der ostdeutschen Republik (auch eine Person) sich einen Umgang mit Stimmzetteln wegen der Volkskammer, der Verwaltung von Land und Kreis und Gemeinde. 99 Prozent zählte sie an Ja-Stimmen, und 0,7 vom Hundert noch dazu.
Im Sommer 1950 begannen die Prozesse in Waldheim, am 4. November waren die Hinrichtungen dran. Cresspahl trug keinen Trauerflor wegen des Menschen, den er erinnern mochte als seinen Schwiegervater. Das Kind Cresspahl wußte noch Bedauern für Albert Papenbrock, weil ihr einst
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